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Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Titel: Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ensikat , Dieter Hildebrandt
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krankgemeldet. Dann kam ein sehr guter Freund zu mir. Der war dreiJahre älter und ein Genie in jeder Beziehung, als Sportler, als Mathematiker, als Musiker und Dichter. In der »Hitlerjugend« war er Gefolgschaftsführer in der »Spielschar«. Mit dem machten wir dann Musik und Laienspiel. Da fühlte ich mich aufgehoben, da lernte ich was. Dieser Freund und Gefolgschaftsführer wurde dann später in Ost-Berlin ein hohes Tier, irgendwas Wichtiges im Kulturministerium. Ich hab ihn später noch mal getroffen.
    E NSIKAT: Und in der HJ habt ihr wirklich Theater gespielt?
    H ILDEBRANDT: Ja, und ich war natürlich der Komiker. Als ich fünfzehn war, haben wir tatsächlich eine Tournee gemacht, nach Oberschlesien. Das Stück hieß »Betrogene Betrüger«. Es ging um Studenten, die durchs Land ziehen und Bauern übers Ohr hauen. Ich war der Spitzenbetrüger. Das Stück dauerte zuerst zwanzig Minuten. Als wir es eine Woche gespielt hatten, dauerte es eine Stunde. Wir hatten auch ein Streichquartett in der Truppe, die spielten alles durcheinander, von Heinkens bis Haydn. Außerdem wurden Gedichte rezitiert, da durfte ich auch mitmachen. Eines Tages kamen wir ins äußerste Ost-Oberschlesien nach Königshütte. Das war ja erst 1939 erobert worden. Wir standen da also auf der Bühne und wunderten uns, dass kein Mensch über irgendetwas lachte. Das waren alles Polen, die man wahrscheinlich gezwungen hatte, da reinzugehen. So war ich von Anfang an ein bisschen gefasst auf das, was mir noch blühen sollte.
    E NSIKAT: Ich gehörte auch so einem Verein an. Jungvolk hieß das ja nicht mehr. Ich war bei den Pionieren, als einer der Ersten in Finsterwalde übrigens. Wir waren absolut in der Minderheit. Aber das war spannend, wie Indianer spielen.
    H ILDEBRANDT: Ich muss schon sagen, ich hab bei euch vieles wiedererkannt. Hattet ihr auch diesen Lederknoten?
    E NSIKAT: Nein, der Pionierknoten war aus blauem Stoff.
    H ILDEBRANDT: Unserer war braun. Und habt ihr nicht auch so schöne Lieder gesungen?
    E NSIKAT: Ja. Wie ging das? »Weil wir jung sind, ist die Welt so schön«.
    H ILDEBRANDT: Na, das geht ja noch.
    E NSIKAT: Aber das sangen die Politbürogreise noch im hohen Alter. Bis Ende 1989 haben die gesungen: »Weil wir jung sind, ist die Welt so schön« oder, nicht weniger komisch: »Wir sind die junge Garde des Proletariats«. Kommen wir aber zurück zu dir. Du gehörst ja zu dieser Generation der Flakhelfer. Gegen das, was ihr da erlebt habt, war das bei mir alles Kinderkram.
    H ILDEBRANDT: Luftwaffenhelfer war ich. So nannte man uns, weil sich die Luftwaffe nicht mehr selbst helfen konnte. Und unser Lateinlehrer immer mit dabei. Eines Tages hat der im Radio was gehört, was er nicht verstanden hat. Er fragte uns und unseren Geschützführer, den Unteroffizier Rütze aus Treptow, was das heißen sollte: »Wilde Sau Fasan.« Ich erkläre ihm, dass das der Geheimcode ist für »Deutsche Nachtjäger steigen auf«. Daraufhin sagt Rütze: »Wat soll’n da noch uffsteijen?« Der Mann, so um die fünfzig, hatte mir im Vertrauen zu verstehen gegeben, dass er Kommunist ist.
    E NSIKAT: Du erzählst so locker davon. Hat das alles bei dir gar nichts Traumatisches ausgelöst?
    H ILDEBRANDT: Diese ganze Zeit war wie ein Schock. Aber irgendwann war sie dann vorbei. In dem Moment, als ich über die Elbe rüber war und praktisch Wessi wurde.
    E NSIKAT: Du bist zu den Amis rüber.
    H ILDEBRANDT: Beim Überqueren der Elbe, am 8. Mai 1945 um 12 Uhr 22, stieg ich aus den Fluten der Elbe, nur mit einer durchsichtigen weißen Unterhose bekleidet. Da konnte man einen kleinen Knabenkörper aus der Elbe steigen sehen und hören, wie er den amerikanischen Soldaten zurief: »I am a soldier! I am a soldier!« Wenn man fragt, was ist Glück, dann sag ich dir, mein Glück war, als da in Tangermünde oberhalb der Elbe kein Schuss mehr fiel. Ruhe. Frieden. Der Krieg war zu Ende. Das war Glück.
    E NSIKAT: Was war denn vorher?
    H ILDEBRANDT: Mit fünfzehn war ich in Litzmannstadt, in Lodz, und da passten SS-Leute auf uns auf. Wenn man was falsch gemacht hatte, musste man abends durch die Baracke kriechen, durch die Schlafsäle, undmusste rufen: »Helau, helo, ihr alten Knochen, hier kommt ein Vollidiot gekrochen!« Sie haben uns dort ungeheuer geschliffen. Dieser Zeit verdanke ich wohl meine Kondition.
    E NSIKAT: So eine Wehrertüchtigung gab es in der DDR auch, vor allem später. Meine Söhne mussten in solche Lager, wo sie mit Handgranaten warfen. Während meiner

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