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Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Titel: Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ensikat , Dieter Hildebrandt
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Zeit an der Theaterhochschule gab es ein solches Wehrlager, aber davor konnte ich mich drücken. Ich war da gerade von Jean Vilar nach Avignon zum Theaterfestival eingeladen worden. Allerdings musste ich dafür auch so viel hin und her rennen, dass man von einem gewissen Trainingseffekt sprechen kann: Erst brauchte ich den DDR-Pass, in dem stand aber nur was von einer »Ausreise aus Schönefeld«. Damit musste ich zu einem Reisebüro in West-Berlin, dann zur französischen Botschaft wegen des Visumstempels und immer so weiter. Also, wenn ich im Leben rannte, dann eher aus zivilen Gründen.
    H ILDEBRANDT: Als ich siebzehn war, konnte ich schon schießen, ich gehörte zu einer Division, die dem Feind gefährlich werden konnte. Wir gehörten zur Armee Wenck. Dem hatte Hitler befohlen, dass er ihn raushaut aus seinem Führerbunker. Aber Wenck hatte was ganz anderes vor. Ich war dabei. Er wollte die Umzingelung von Berlin aufbrechen, damit die Soldaten, die Landser, aus dem Kessel rauskamen.
    E NSIKAT: Ich hab in der DDR noch gelernt, dass dieserNazigeneral Wenck euch, die Kinderarmee, opfern wollte für den Führer.
    H ILDEBRANDT: Im Gegenteil. Der hat uns gerettet. Diesem General verdanken wir, Zehntausende von Sechzehn-, Siebzehnjährigen, unser Leben! Er sagte: Ich schlag ein Loch in die Umzingelung, damit die 9. Armee, oder was davon noch übrig war, herauskommt. Ich habe sie aus dem Wald kommen sehen, stand da, das Gewehr im Anschlag. Die Russen haben das geschehen lassen, wahrscheinlich weil sie selbst keine Lust mehr hatten, am Ende des Krieges noch zu fallen. Wir kamen dann bis nach Beelitz, kurz vor Potsdam, und sind heidewitzka Richtung Elbe marschiert, so schnell es ging.
    E NSIKAT: Die Angst vor den Russen! Die Nazipropaganda hat da noch gewirkt.
    H ILDEBRANDT: Es war ja auch so, wenn die Russen kamen. Da sind, mein Gott, schlimme Verbrechen passiert. Die waren doch durch den langen Krieg, durch die schlimmen Verbrechen der Deutschen aufgehetzt. Wir sagten uns: »Wenn wir bleiben, kommen wir alle nach Sibirien.«
    E NSIKAT: Ich war damals vier Jahre alt, fast auf den Tag genau, als sie nach Finsterwalde kamen. Die Naziplakate mit den Mongolengesichtern und dem Messer zwischen den Zähnen kannte ich auch schon. Aber ich hatte ja keine Möglichkeit, wegzurennen, über die Elbe zu schwimmen.
    H ILDEBRANDT: Ich hatte die Möglichkeit und habe sie genutzt. Du wärst vermutlich mitgekommen.
    E NSIKAT: Ganz sicher, in deinem Alter bestimmt. Immerhin haben uns die Russen erst mal nichts getan, weil Finsterwalde kampflos aufgegeben wurde. Wir mussten alle runter in den Hof und standen ihnen da gegenüber. Sie hatten wirklich solche Schlitzaugen, wirkten auf mich aber gar nicht martialisch, sondern eher runtergekommen, fast erbärmlich. Natürlich gab es dann auch bei uns schreckliche Dinge. Man hörte davon, dass die Frauen vergewaltigt wurden. Aber mit vier Jahren kannst du dir unter Vergewaltigung zum Glück ja gar nichts vorstellen.
    H ILDEBRANDT: Wir mit siebzehn schon. Wären wir beide damals in einer Kompanie gewesen, wir wären zusammen über die Elbe geschwommen und wären dann vielleicht zusammen nach München gekommen, hätten beide Texte für die »Münchner Lach- und Schießgesellschaft« geschrieben, wären beide Wessis …
    E NSIKAT: Und würden jetzt beide überlegen auf die Ossis herablächeln.
    H ILDEBRANDT: Wir müssten hier jetzt auch nicht zusammensitzen, weil wir einander ja nichts vorzuwerfen hätten.
    E NSIKAT: Hätten uns aber auch viel weniger zu erzählen.
    H ILDEBRANDT: Die letzten Kriegsmonate jedenfalls waren schrecklich für mich, für einen, der sich nichtvorstellen konnte, dass wirklich mal jemand auf ihn schießt. Das hat der Siegfried Lenz so genau beschrieben. Wir sind ein Jahrgang. Er erlebte das auf einem Torpedoboot. Über diesen Moment hat er geschrieben: »Bis dahin hatten wir nur geübt. Wir haben immer nur geübt. Aber was machen wir, wenn der Feind kommt? Als er kam, hab ich gedacht, wir üben noch.« Und dann sah er den ersten Toten, und der Schock war da. So ging es mir auch. Du hast was gemacht und dich erst danach gefragt, was du da gemacht hast. Da lag plötzlich einer neben dir, mit dem du eben noch geredet hast. Du hast mit ihm gegessen, gequatscht, hast ihm Witze erzählt. Und jetzt liegt er da und ist tot. Dann wurde uns gesagt, wir sollten die Toten hinter die Linie bringen. Es gab aber gar keine Linie mehr. Wir haben den Toten völlig sinnlos irgendwohin

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