Wie halte ich das nur alles aus?: Fragen Sie Frau Sibylle (German Edition)
Theaterregie ist nur für Menschen, die schreien können, und nun ist die erste Teilregie meines Lebens schon Geschichte – und vergessen. Auf den Champs-Élysées demonstrieren Hunderttausende Franzosen gegen die Ehe Homosexueller. Genaue Zahlen weiß keiner, Fanatiker reden von einer Million, Realisten von dreihunderttausend. Was ist nur aus meinem Traumbild der reizenden Franzosen geworden? Am 12. Februar 2013 hatte die von den Sozialisten dominierte Nationalversammlung klar für die Einführung der Homoehe samt einem gemeinsamen Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare gestimmt. Normal denke ich, das wird ja Zeit, weiter im Text. Doch der französische Bürger ist ungehalten. Ehe zwischen Menschen. Das geht ja gar nicht. Da steht er auf, da geht er auf die Straße, da geht er auf die Knie und fleht um Demokratie. Das Problem eines begrenzten Verstandes ist leider nicht nur eines unserer reizenden Nachbarn, bei uns wettern gerade friedliche Katholiken gegen den Grünen Volker Beck, der mit seiner Partei für ein Verbot von Therapien eintritt, die Jugendliche von ihrer Homosexualität »befreien« sollen. »Es gibt in Deutschland zahlreiche Angebote aus der religiös-fundamentalen Ecke, die vorgeben, Homosexuelle von ihrer Orientierung heilen zu können«, sagte Beck der Saarbrücker Zeitung . Und schon schreien Betroffene wieder empört auf. Also nicht betroffene Homo-, sondern vermutlich betroffene Heterosexuelle, die erfolglose Therapien gegen ihre Heterosexualität hinter sich haben.
Wovon fühlen sich die Gegner der absoluten Gleichberechtigung aller eigentlich bedrängt? Leiden sie an ihrem eigenen Lebensentwurf so sehr, dass sie andere bestrafen wollen? Denken sie: Wenn es mir schlechtgeht, der ich gesellschaftliche Normen erfülle, dann sollen andere auch keinen Spaß haben? Von was fühlt sich der gemeine Sexist verdammt noch mal bedroht, was ekelt ihn, was macht ihn hassen? Die Kinderlosigkeit Europas wird nicht dadurch beendet, dass man Homosexuellen die komplette gesellschaftliche Gleichberechtigung gesetzlich zugesteht; der Untergang unserer Kultur wird zu Recht erfolgen, wenn sie es nicht schafft, Menschen zum Denken anzuregen.
Also was ist es genau? Der Gott? Die Gott? Die eigene Begrenzung der geistigen Möglichkeiten sollte die Menschen weit intensiver beschäftigen als neue Familienmodelle. Unser träges Hirn ist es, das wir fürchten sollten. Hunderttausend Franzosen und eine Milliarde religiöser Fanatiker weltweit gehen auf die Knie und flehen um eine Erweiterung ihrer Hirnkapazität. Sie betteln darum, zu begreifen, dass es andere Lebensentwürfe als den eignen gibt, dass wir alle in unserer Dummheit gleichwertig sind. Das wäre eine Schlagzeile nach meiner Fasson, und ich kniete mich mit auf die Champs-Élysées und bäte um das geistige Vermögen, restlos alle zu verstehen, die anders denken als ich.
Könnte man nicht endlich mal
über einen homosexuellen Außenminister reden?
Jeder Mensch weiß, wie die beste aller möglichen Welten auszusehen hätte. Das ist das Elend. Noch elender ist, dass die Politiker das nicht wissen und es kaum einen gibt, der sich nicht für einen absoluten Politikexperten hält. Ich nehme mich da nicht aus. Mir gefällt ein Deutschland mit einer weiblichen Kanzlerin, einem homosexuellen Außenminister und Amerika mit einem farbigen Präsidenten. Sie machen Fehler wie alle anderen männlichen, heterosexuellen, weißen Politiker vor ihnen, sind aber ein Symbol für ein wenig mehr Gleichberechtigung in der Welt. Die Vorbildwirkung überwiegt; die politischen Inhalte sind austauschbar.
Starke Meinung, nicht wahr? Statt sich über solche interessanten Thesen zu unterhalten, wollen Frauen mit ihren Partnerinnen und Partnern angeblich immer über Gefühle reden. Sie wollen also nicht nur unentwegt quatschen, wie es in Millionen drolliger Witze und Glossen kolportiert wird, um Frauen als plappernde Nervensägen lächerlich zu machen – obgleich ich eigentlich immer nur auf quasselnde Männer treffe –, nein, Gefühle sollen es auch noch sein. Ich kenne einige Frauen persönlich, und sie wussten nicht, was ich eigentlich meinte mit der Frage nach ihrem Bedürfnis, permanent über ihre Gefühle zu diskutieren. Manch eine glaubte, sich an Woody Allen-Filme erinnern zu können, in denen ständig über Befindlichkeiten gesprochen wurde, hatte das aber immer für ein drolliges Stilmittel gehalten. Andere fragten, ob über Gefühle reden etwas mit Krankheiten zu
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