Wie ich Brad Pitt entführte
völlig aus den Latschen gekippt? So viel schlechtes Karma kann doch ein einziger Mensch gar nicht haben!
Es war eine extrem schlechte Entscheidung gewesen, mich im Schrankzimmer einzuschließen. Erstens gibt’s hier keine Toilette, und seit genau einer halben Stunde müsste ich äußerst dringend mal genau dorthin. Zweitens ist kein Festnetztelefon installiert, auf dem Max anrufen könnte, und drittens ist die Tür nicht schalldicht! So kann ich leider jeden Laut, den Linda und Tom von sich geben, kristallklar verstehen!
»Du wolltest Tom doch gar nicht mehr!«, intoniert Linda verzweifelt zum hundertsten Mal. »Ich habe dich doch extra noch gefragt, ob dir was an ihm liegt!« Sie zieht geräuschvoll die Nase hoch. Mich so zu betrügen, musste ihr also doch etwas nähergehen. »Und du … du hast gesagt, du würdest dir lieber jeden Fingernagel einzeln ziehen lassen, bevor du was mit ihm anfängst! Herrgott noch mal, das ist doch wohl eindeutig!«
Sicher hinter meiner Tür verschanzt, verziehe ich nur hämisch die Lippen. Als ob ich ihr mit dieser Aussage grünes Licht für Sex mit Tom signalisiert hätte! Ha! Da musste ihr aber was Besseres einfallen!
»Hey, warum bist du denn eigentlich schon hier?«, fragt Tom auf einmal sehr pragmatisch. Das alles muss selbst ihm etwas peinlich sein, wenn er die Geschichte mit dem Fingernagelziehen so kommentarlos übergeht. »Ich denke, du gehst heute Abend mit dem Bullen aus!«, hakt er nach. Er kann ja nicht wissen, dass er damit einen noch viel wunderen Punkt als seinen geplanten Beischlaf mit Linda trifft.
Ich gebe keinen Ton von mir. Von mir aus können die beide an ihrem schlechten Gewissen ersticken. Bei dem Gedanken an Max muss ich plötzlich abgrundtief schluchzen. Er hat immer noch nicht angerufen! Und es ist bereits nach zweiundzwanzig Uhr! Ob mein Handy hier drin nicht funktioniert? Tief unglücklich betrachte ich im Display die kleine Antenne mit den vier dunklen Balken daneben, die fatalerweise perfekten Handyempfang anzeigen. Es ist verdammt noch mal eine Tragödie, dass diese modernen Kommunikationsmittel mir keinen Spielraum mehr zum Selbstbetrug geben: Max hätte mich jederzeit heute Abend auf meinem Handy erreichen können! Daran gibt’s einfach nichts zu rütteln.
Vor der Tür höre ich leises Flüstern. Die beiden hecken garantiert irgendeinen subversiven Plan aus, um mich endlich rauszulocken. Nach schönster Zuckerbrot-und-Peitschen-Manier flötet Linda dann bald auch wieder in Normallautstärke.
»Vicki?« Trotz des aspartamsüßen Tons hört sich Lindas Stimme immer noch etwas unsicher an. »Ist am Ende wirklich was mit dir und Max passiert?«
Ich bleibe mucksmäuschenstill.
»Habt ihr euch gestritten?«
Ich schüttele den Kopf, aber das kann Linda schließlich nicht durch die Tür sehen.
»Magst du ihn noch?«
Ich nicke. Linda scheint durch die Funkstille auf meiner Seite noch mehr aus dem Konzept gebracht.
»Vicki, brauchst du Hilfe? Geht’s dir nicht gut?«
Ich bleibe eisern und stumm.
»Vicki! Jetzt sag doch endlich was! Sonst ruf ich deinen Vater an!«
Leere Drohungen! Sie will doch garantiert nicht, dass die ganze Geschichte mit ihrem Schatz Tom auffliegt!
»Vicki!!!« Sie bollert mit der Faust gegen die Tür. Aber dann fügt sie ganz kleinlaut hinzu: »Vicki, es tut mir wirklich leid!«
Meine Blase hat ihr maximales Füllvolumen erreicht. Aber Tom und Linda versperren immer noch den freien Zugang zur Toilette. Sie flüstern auch schon wieder miteinander. Doch dann kann ich Toms Worte ganz deutlich ausmachen.
»Ach, Quatsch! Na klar ist das ’ne Masche! Hab ich doch auch schon tausendmal durchgezogen!«
Linda zischt ihm ein strenges »Pscht! Pscht!« zu.
Aber Tom lässt sich nicht so leicht das Wort verbieten. »Hey, Vicki! Der Typ ist einfach nicht aufgekreuzt! Richtig?« Kurze Pause. »Komm, sag schon! Hab ich recht?«, insistiert er.
Woher weiß er das?
»Mensch, Vicki, der Kerl spielt auf dir wie auf ’ner Hammond-Orgel!«
Ich war so verdattert, dass ich gar nicht mehr an mein Bestrafungsschweigen denke. »Wie meinst du das?«, entfährt es mir.
Linda atmet hörbar auf. Hat sie gedacht, ich liege hier ohnmächtig am Boden? Dass mich der Anblick ihres wilden Beinahe-Beischlafs mit Tom so aus dem Gleichgewicht bringt?
»Es ist doch so …« Tom räuspert sich, bevor er fortfährt. »Die Gehirnwindungen arbeiten doch bei allen Frauen gleich«, doziert er unaufgefordert. »Sie wollen grundsätzlich nur das, was
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