Wie ich Brad Pitt entführte
gekippt. Im gleichen Moment wurde sie auf die rhythmischen Bewegungen hinter dem Vorhang der linken Wohnung im dritten Stock aufmerksam. Himmel! Na ja, auf der anderen Seite waren diese Be(i)wohner wahrscheinlich zu beschäftigt, um sie zu entdecken. Nicole schenkte wieder Max ihre ganze Aufmerksamkeit. Er sah wirklich gut aus mit seinen fast schwarzen Haaren. Der Arme. Genauso allein wie sie. Sie arbeiteten eben beide viel zu viel, um eine stabile Beziehung aufbauen zu können. Das war ein Opfer, das ihnen der interessante Job abverlangte. Ob sie ihn vielleicht doch einfach mal auf ein unverfängliches Bier einladen …? Doch im nächsten Moment erstarb der Gedanke, noch bevor Nicole ihn ganz zu Ende gedacht hatte: Eine sehr attraktive, ebenfalls dunkelhaarige Frau kam aus dem Inneren der Wohnung, setzte sich neben Max und legte ihm vertraut den Kopf auf die Brust.
Auf der Rückreise brannten Nicoles Augen gewaltig. Aber sie verbot sich die Tränen. So etwas Gefühlsduseliges kam ihr gar nicht in die Tüte. Dann hatte er eben eine Freundin. Schön für ihn. Sie wollte ja eh nichts mit einem Kollegen anfangen. Ihre Mutter hatte recht! So etwas führte nur ins Verderben. Ein einziges Mal hatte sie schon Bekanntschaft mit solch fehlgeleiteten Gefühlen geschlossen. Auf eine Wiederholung konnte sie da getrost verzichten. Sie hatte Thorsten, einen Kripo-Kollegen aus Düsseldorf, bei einem zweiwöchigen Lehrgang in Kassel kennengelernt. Er hatte sie so sanft umworben, dass sie bereits nach drei Tagen alle Bedenken über Bord geworfen hatte. Er war überrascht, als er entdeckte, dass sie noch Jungfrau war. Für sie war es Liebe. Und natürlich trafen sie sich auch, nachdem der Lehrgang vorbei war. Jeden Mittwoch. Er erzählte ihr, dass er, genau wie sie, noch bei seiner Mutter wohnte. Deshalb fand ihr Liebesleben immer in relativ preisgünstigen Kölner Hotels statt. Sie dachte nicht weiter darüber nach. Bis zu dem Tag, an dem sie verzweifelt versuchte, ihn auf seinem Mobiltelefon zu erreichen. Ihr war an diesem Mittwoch ein dringender Fall dazwischengekommen, und sie musste ihre Verabredung kurzfristig absagen. Doch er ging nicht dran. Da sie nicht wollte, dass er für sie die gesamte Strecke Düsseldorf – Köln umsonst fuhr, suchte sie im Personalverzeichnis nach seiner Festnetznummer. Unter der angegebenen Nummer meldete sich dann Thorstens Ehefrau.
Endlich lag sie wieder auf ihrer Matratze. Sie würde diesen Abend so schnell wie möglich vergessen und einfach wieder zur Tagesordnung übergehen. Schließlich war Max nicht in Hagedorns Wohnung gewesen. Das war alles, worauf es wirklich ankam. Entschlossen drehte sie sich auf die Seite. Hoffentlich konnte sie bald einschlafen. Sie brauchte morgen alle ihre Kräfte, um sich dem Fall Hagedorn zu widmen. Ihr erster Fall! Da gab es kein Pardon – sie musste ihn einfach lösen!
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16.
Donnerstag, 8.45 Uhr
P rüfend lasse ich meinen Blick über das liebevoll angerichtete Tablett gleiten: Cornflakes mit Milch und Beerenallerlei, weich gekochte Eier im Glas und Schinkentoast. Nur noch schnell kochendes Wasser auf den vorbereiteten Nescafé. Fertig! Halt, fast fertig. Für Tom gibt es noch einen großzügigen Schuss Wodka in die Kaffeetasse. Schließlich wollen wir den Entzug langsam angehen lassen. Ich schnapp mir das Tablett und steuere aufs Schlafzimmer zu.
Tom wendet trotzig den Kopf zur Seite, als ich sein Frühstück auf den Nachttisch abstelle.
»Na, gut geschlafen?«, flöte ich aufmunternd. »’nen Schluck Kaffee?«
»Shit, wie spät isses?«, raunzt er immer noch ohne Blickkontakt.
»Fast neun. Fühlst du dich nicht schon besser?«
»Besser?!« Wütend dreht er sich um. »Ich häng hier wie Jesus am Kreuz! Mir tut jeder verdammte Knochen weh!«
»Kleine Massage gefällig?«, biete ich freundlich an.
»Leck mich!« Als Friedensangebot halte ich ihm die Tasse Kaffee vor die Nase. »Komm schon, der tut dir gut!«
Unwirsch nimmt er einen kleinen Schluck und – spuckt ihn im hohen Bogen wieder raus! »Was is’n das für ’n Dreck? Willst du mich vergiften?«
»Wieso?! Ist doch nur ’n bisschen Wodka!«, sage ich leicht beleidigt und betrachte die Kaffeespritzer auf meinem weißen T-Shirt und der schönen Bettwäsche.
»Zum Frühstück? Hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank?«, schnaubt er.
Was stellt der sich denn bloß so an? Was trinken denn Alkis sonst zum Frühstück? Heiße Schokolade?
»Komm, beiß doch mal«, versuche
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