Wie ich Brad Pitt entführte
Bodenschwingh ist gegangen. Nicht ohne Tom noch darüber zu informieren, dass er für morgen früh eine »Boulevard-Homestory« in Toms Apartment organisiert hat. Ein sehr umtriebiger Mann. Er hatte ebenfalls mit Tom diskutiert, ob dieser ein »Lebenszeichen« von sich fabrizieren und rausschicken sollte. Zu diesem Zweck hatte Zack mit seinem Handy ein Bild von einem mitleiderregenden Tom mit Tageszeitung vor dem Bauch gemacht. Dieses Vorhaben wurde dann aber doch als verfrüht verworfen.
Im Übrigen ist RTL mitnichten unglücklich über das Verschwinden ihres Serienhelden, sondern plant bereits diverse Sondersendungen zu diesem Thema. Der Programmdirektor hatte öffentlich sein Mitgefühl mit den trauernden Fans bekundet – und dass man in jedem Fall auf Toms Rückkehr hoffte. Die Produktion von weiteren »Südstadt«-Sendungen müsse solange ruhen.
Auch das noch. Ich nehme einen tiefen Schluck aus meinem Rotweinglas, das ich mit beiden Händen fest umklammere. Wenn das so weitergeht, würde nicht Tom, sondern ich als Alkoholiker enden. Ich bräuchte dringend jemanden, mit dem ich mich beraten konnte. Aber es ist zu riskant, Linda anzurufen: Wahrscheinlich hört die Polizei mit. Im Übrigen bin ich mir nicht sicher, ob ich Linda da überhaupt mit reinziehen will. Schließlich habe ich mir das ganze Elend selbst eingebrockt. Dann muss ich die ganze Pampe nun auch alleine auslöffeln.
Übrigens habe ich Tom die Geschichte vom Kommissar und dem verräterischen Psychosen-Meyer erzählt. Ich bereue meine überstürzte Flucht aus Dr. Meyers Praxis zutiefst. Denn ich habe keine Ahnung, wie lang diese Farce mit Tom noch andauern wird, und ich will auf keinen Fall, dass Dr. Meyer meinen Vater verständigt.
»Ich kann doch da nicht einfach so wieder hingehen?«, jammere ich.
»Vicki, das ist ein Seelenklempner, der muss doch allerhand gewohnt sein«, versucht Tom, mich zu beruhigen.
Der hat gut reden. Tom ist übrigens geradezu pedantisch ordentlich. Bevor er seine Koffer in meine Schränke entleerte, packte er all meine Sachen, akkurat Ecke auf Ecke gefaltet, in die restlichen Rotkreuzkartons, die ich für Stefans Kram benutzt hatte. Dann wischte er – seine Hände sicher in Frau Seibls Gummihandschuhe verpackt – alle Regale und die Kleiderstange sorgfältig ab, legte Seidenpapier aus und schichtete vorsichtig seine Klamotten drauf. Sexy geht irgendwie anders.
Nach dem frühen Abendessen, Tom hatte Steak für uns gebraten und dazu einen bunten Salat gezaubert, sitzen wir wie ein altes Ehepaar nebeneinander auf Mutters weißer Ledercouch.
Tom rutscht gelangweilt tiefer in die kunstvoll drapierten Zebrakissen.
»Willst du fernsehen?«
»Nö. Du?«
»Muss nicht sein.« Er steht auf und betrachtet mit geheucheltem Interesse die überschaubar gefüllten Bücherregale. Aber Mutters Utta-Danella-Schinken und architektonische Fotobände scheinen nichts für ihn zu sein, denn kurz darauf setzt er sich wieder zu mir auf die Couch.
»Schade, dass wir nicht raus können, was?«
»Hm.«
»Hast du eigentlich keinen Freund?«
Was war das denn für ’ne Frage? Schließlich sprang hier außer ihm kein anderes männliches Wesen durch die Landschaft.
»Natürlich nicht«, antworte ich leicht säuerlich. Tatsächlich ist mir eigentlich gar nicht nach Small Talk zumute. Ich hätte lieber mal diskutiert, ob ich den Kommissar noch anrufen soll, um ihm Linda als die Freundin, die mich in der fraglichen Nacht versetzt hatte, zu präsentieren. Aber vorher müsste ich Linda bitten, für mich zu lügen. Und da ich sie momentan nicht erreichen kann … Oder soll ich den Kommissar einfach ignorieren?
»Und richtig heißt du Victoria?« Tom muss sich zu Tode langweilen.
»Ja.« Ok, wenn er unbedingt will, dann unterhalten wir uns eben ein bisschen. »Hast du auch einen Spitznamen?«, frage ich genauso lahm.
»Klar.«
»Und?«
Er grinst stolz. »T-Dog.«
Ich schaue ihn fragend an, und sein Grinsen fällt in sich zusammen.
»Mann! T-Dog wie Alpha-Hund. Raffst du das nicht?«
Nö, aber das brauchte ich ihm ja nicht auf die edel geschnittene Nase zu binden: Ich nicke.
»Geil, nicht?«
»Äh ja.« Na super. Aber ich lass mir nichts anmerken. »Warum hast du denn eigentlich keine Freundin?«, treibe ich die Konversation voran. Aber eigentlich interessiert mich das Thema wirklich brennend.
Tom reibt sich die Bartstoppeln am Kinn und grinst verschmitzt. »Woher willste das denn wissen? Vielleicht hab ich ja eine?«
Ich zucke mit
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