Wie ich Brad Pitt entführte
Fressgelagen trafen. Denn die paar Kröten, die dabei herumkamen, hätte jeder der Anwesenden locker aus der Portokasse beisteuern können. Aus dieser Zeit stammt wahrscheinlich auch meine abgrundtiefe Abneigung gegen die Kölner »Töchter-und-Söhne-von-dem-und-dem-Gesellschaft«. Ich wurde sozusagen resistent gegen Golf spielende, rosa Polohemden tragende, auf die Übergabe der elterlichen Firma wartende BWL-Studenten, die mein Vater für mich bevorzugt hätte.
Und schließlich tauchte die durchlauchte Gräfin Gisela auf der Bildfläche auf, meine vorläufig letzte Stiefmutter, von der mein Herr Papa erst vor zwei Jahren geschieden wurde. Ein paar Jahre nach der Trauung outete sich Gisela als lesbisch, was sie vielleicht für eine erfüllte Ehe mit meinem Vater weniger qualifizierte. Trotz allem war sie eindeutig die liebste meiner Stiefmütter. Irgendwie finde ich Lesbischsein auch recht schick. So völlig losgelöst vom anderen Geschlecht. Die ultimative Emanzipation. Keine testosteronmotivierten Handlungsweisen, wie permanentes Fremdgehen, erdulden müssen. Einfach mit der besten Freundin nicht nur shoppen gehen, sondern auch noch kuscheln. Doch, das hat ganz entschieden was für sich.
Einmal hatte ich versucht, mir Linda als Sexobjekt vorzustellen. Leider bemerkte sie meine versuchsweise lüsternen Blicke und setzte meinen Hoffnungen mit einem trockenen »Vergiss es!« ein vorzeitiges Ende. Na ja, es stimmt schon, eigentlich stehe ich ja mehr auf Männer, aber ein Versuch wär’s schon wert gewesen. In Köln sagt man ja auch gerne: »Biste bi, häste mi!«, also frei übersetzt: »Bisexuelle haben eine größere Auswahl!« Aber das erscheint mir immer zu unentschlossen. Nicht Fisch und nicht Fleisch, aber auch kein Vegetarier.
Jedenfalls telefonierte ich gelegentlich mit Gisela. Sie nahm Anteil an meinem Leben. Vielleicht würde sie mich sogar ein klein wenig vermissen, wenn ich nun …
Okay, jetzt heißt es, Abschied nehmen. Wild entschlossen lasse ich den Motor kurz im Leerlauf aufheulen. Aus alter Gewohnheit schalte ich das Radio ein: »
When your day is long and the night, the night is yours alone.
« Oh nein. Nicht auch noch dieses Lied. Mein ultimatives »Ich-bin-ja-so-allein-und-niemand-versteht-mich-Lied«. Meine Augen fangen an zu brennen. Meine Tränenschleusen bereiten sich auf einen längeren Einsatz vor. Zeitgleich mit den ersten Tropfen rolle ich rückwärts auf die Fahrbahn und lege den ersten Gang ein. »
Don’t let yourself go, ’cause everybody cries and everybody hurts sometimes …
«, singen REM mit einfühlsamer Stimme. Mann, das passt ja mal wieder großartig. Der Soundtrack zu meinem Leben.
Unaufhaltsam strömt mir nun das Salzwasser über beide Wangen. Ich biege in den Militärring ein und nehme Kurs auf den Flughafen. »
Don’t throw your hand, if you feel like you’re alone. No, no, no, you are not alone …
«
Beim letzten »No!« passiert es … Etwas hat mein Auto auf der Beifahrerseite gestreift. Ich versuche, durch meinen Tränenschleier zu blinzeln, und halte ein paar Meter weiter an. Hatte da an dem Zebrastreifen ein Jogger gestanden? Hatte ich jemanden an… oder, Gott verhüte, überfahren?
In genau diesem Moment reißt jemand wütend die Beifahrertür auf.
»Sind Sie denn völlig bescheuert?«, schreit dieser Jemand aufgebracht.
Ich blinzle nochmals … das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen …
[home]
36.
S cheiße, es regnet! Leihst du mir dein Auto?«
Statt einer Antwort warf Kasi ihm mit geschlossenen Augen die auf dem Nachttisch liegenden Autoschlüssel an den Kopf.
»Aua, du Schlafmütze! Musst du nicht auch raus? Wann machst du denn heute deinen Laden auf?«
»Um neun«, grummelte Kasi schlaftrunken unter seiner Bettdecke.
Blitzi hatte ihn weit nach Mitternacht aus seiner heiligen Tiefschlafphase herausgerissen, um ihm mitzuteilen, dass er gedachte, die weitere Nacht mit seinem Ex zu verbringen. Danach hatten sie sich wie üblich noch stürmisch geliebt. Kasi blinzelte auf seinen Designerwecker, der die Uhrzeit in englischen Wörtern angab.
»Hey, Blitzi! Es ist noch nicht mal sieben Uhr! Komm wieder ins Bett!«
»Ich kann leider nicht!«, beteuerte Blitzi mit Bedauern in der Stimme. »Ich muss los!« Er schulterte die mitgebrachte Tasche, beugte sich über seinen immer noch dösenden Ex-Freund und gab ihm einen Kuss aufs Haupt. »Ich bringe dir die Schlüssel später ins Geschäft, okay?«
»’kay«, kam es müde
Weitere Kostenlose Bücher