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Wie ich Brad Pitt entführte

Wie ich Brad Pitt entführte

Titel: Wie ich Brad Pitt entführte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Grünig
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Ausweg bleibt. Leise schwinge ich meine Beine über die Bettkante, stehe vorsichtig auf und schleiche mich aus dem Schlafzimmer.

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    34.
     
     
     
    D ie LED-Birne von Nicoles Stirnlampe tauchte den nächtlichen Beethovenpark in ein kaltes, hartes Licht. Die Bäume, die links und rechts den Joggingpfad säumten, wirkten wie bizarr angeordnete schwarze Säulen, als sie an ihnen vorbeilief. Außer ihrem eigenen Atem hörte Nicole kein einziges Geräusch. Köln schlief. Wenn sie das nur auch könnte.
    Bis zwei Uhr nachts hatte sie es auf ihrer Matratze ausgehalten, hatte krampfhaft versucht, die Ereignisse des Tages zu verdrängen und endlich Schlaf zu finden, aber der wollte sich leider nicht einstellen. Jedes Mal, wenn sie ihre Augen schloss, sah sie Petersens eiskalten Blick, die sinnlichen Lippen von Max und Mehlmann-Larsens feistes Gesicht zu tanzenden kaleidoskopartigen Bildern verstrickt. Verzweifelt war sie in die Küche geschlichen, hatte sich eine warme Milch mit Honig zubereitet und sich dann den Hals verbrannt, weil sie das süßliche Zeug viel zu heiß runtergeschluckt hatte. Wieder im Bett, wartete sie mit kribbelnden Beinen, überwachem Geist und offenen Augen darauf, müde zu werden. Natürlich vergebens. Gegen drei Uhr dreißig hatte sie aus lauter Frust, und weil sie ihren rumorenden Magen beruhigen wollte, in schneller Folge erst eine Tafel Vollmilchschokolade und dann noch eine mit Traubennuss-Geschmack aufgefuttert. Dabei machte sie sich noch nicht einmal etwas aus Traubennuss-Schokolade. Noch während sie sich die letzten braunen Krümel fast zwanghaft in den Mund schob, hatte sich das altbekannte schlechte Gewissen eingestellt. Über tausend Kalorien in unter zehn Minuten! Das war ekelhaft! Und sie hatte sich jetzt schon so lange unter Kontrolle gehabt. Ob sie ganz einfach wie früher den Finger in den Hals stecken sollte?
    Unwillkürlich klang ihr die Stimme ihrer Mutter in den Ohren. »Nicole! Mach sofort die Badezimmertür auf! Wenn du das teuer bezahlte Essen noch ein einziges Mal ins Klo kotzt, dann passiert was!! Da verhungern täglich Kinder in dieser Welt und du …« Nicole presste sich ihre Hände auf die Ohren, als ob sie auf diese Weise die Litaneien ihrer Mutter ausblenden könnte. Nein. Sie würde jetzt nicht kotzen. Sie würde joggen gehen.
    Nicole joggte exakt zwei Stunden. Man verbrauchte beim Laufen mit durchschnittlich schneller Geschwindigkeit etwa fünfhundert Kalorien pro Stunde. Das stand in einer der Tabellen, die sie an ihrem Kühlschrank mit einem Magneten festgepinnt hatte. Sie hörte also in der befriedigenden Gewissheit auf, die Schmach ihrer nächtlichen Fressattacke wettgemacht zu haben. Danach stellte sie sich unter die Dusche und ließ heißes Wasser auf ihre müden Knochen prasseln. Es lohnte sich eigentlich nicht mehr, ins Bett zu gehen. Sie hatte ihren Körper durch das Laufen fast genauso entspannt, wie es durch eine Mütze Schlaf möglich gewesen wäre.
    Was stand heute an? Ach ja, sie wollte sich diese Galerie mal anschauen, aus der Hagedorns Gemälde stammten. Galerie K. Przelomski. Vielleicht gehörte das Geld ja gar nicht Hagedorn, sondern dieser Przelomski schmuggelte auf diese Weise Schwarzgeld nach Deutschland. Vielleicht hatte Hagedorn ihn dabei überrascht, wie er sich die hinter den Bildern versteckte Kohle wiederholen wollte! Ob Przelomski ihn abgemurkst hatte? Während sie sich anzog, Jeans und einen hellgrauen Pulli, und einen starken Kaffee kochte, dachte sie weiter über diese Tätervariante nach. Sie erschien ihr immer wahrscheinlicher, obwohl sie sich ja, im Grunde genommen, noch kein Bild von Frank Hagedorn machen konnte. Seine Verlobte bescheinigte ihm einen engelsgleichen Charakter. Aber auf die Aussagen der bekloppten Mehlmann-Larsen war garantiert kein Verlass. Sie musste versuchen, noch andere Zeugen zu finden, die ihn gekannt hatten. Durch seinen Job als Anwalt hätte sich Hagedorn unter Umständen auch Feinde gemacht haben können. Aber heute würde sie nicht mit den Anwaltskanzleien telefonieren können, die waren bestimmt alle geschlossen. Dafür war der Marienburger Golfklub mit Sicherheit offen. Hm, da würde sie heute auch noch hinfahren.

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    35.
    Samstag, 6.45 Uhr
     
     
     
    D as Wetter hat sich meiner Stimmung angepasst. Die letzten sonnigen Altweibersommertage sind dem üblichen Oktobernieselregen gewichen. Es war auch empfindlich kälter geworden. Na ja, egal, für mich würde es jedenfalls diesen Winter Sonne

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