Wie ich Brad Pitt entführte
schlechtes Gewissen zu überspielen.
»Das weiß ich nicht. Haben Sie?«, fragte sie zurück.
Herr Przelomski lächelte. »Wollen wir ins Hinterzimmer gehen? Da haben wir mehr Ruhe. Anna!« Er rief seine ganz in Schwarz gekleidete Kollegin zu sich, die gerade hinter dem Tresen verstohlen an einem Kaffeebecher nippte. »Kümmerst du dich bitte für einen Moment um alles? Ich bin beschäftigt.«
Anna nickte.
»Darf ich bitten?« Herr Przelomski ging voraus und bedeutete Nicole, ihm zu folgen.
Als sie in seinem feudalen Büro ankamen – es wirkte so gar nicht wie ein »Hinterzimmer« –, schloss der Galerist hinter ihr die Tür und bat sie, auf dem weinroten Samtsofa Platz zu nehmen.
»Wollen Sie etwas trinken? Tee? Kaffee?«
Für einen kurzen Moment dachte Nicole darüber nach, ob es eine Falle sein könnte. Die geschlossene Tür gefiel ihr gar nicht, vielleicht mischte er ihr auch etwas in den Tee? Ach, Quatsch, sie hatte einfach zu wenig geschlafen und sah überall Gespenster.
»Ich hätte gerne einen Tee«, bat sie höflich. Wenig später stand eine filigrane Teetasse mit dampfendem Inhalt vor ihr.
»Also, worum geht es?«, wollte Herr Przelomski wissen.
»Kennen Sie einen gewissen Frank Hagedorn?«
»Hm. Der Name sagt mir erst mal nichts. Sollte ich ihn kennen?«
»Er könnte ein Kunde von Ihnen gewesen sein.«
Kazimierz Przelomski verzog sein Gesicht. »Gewesen sein? In der Vergangenheitsform? Lebt er nicht mehr?«
Nicole beobachtete ihn genau. »Wir wissen es nicht. Zurzeit gilt er nur als vermisst.«
Plötzlich stand der Galerist auf und ging zu seinem Schreibtisch. »Da ich öfter auf Reisen bin und mich meine Angestellten dann überaus kompetent vertreten, kenne ich natürlich nicht alle Kunden persönlich. Aber falls er tatsächlich ein Bild bei uns erworben hat, steht er in unserem Kundenverzeichnis.«
Er drückte in schneller Folge einige Tasten auf seinem Computer. Nicole war ebenfalls aufgestanden und hinter ihn getreten. Gemeinsam beobachteten sie, wie der Computer eine größere Datei hochlud.
In diesem Moment klingelte Nicoles Handy. Mit einem entschuldigenden Blick zu Przelomski fischte sie es aus ihrer Hosentasche und sah kurz aufs Display. Wie vermutet, hielt der Anrufer seine Identität geheim. Es war bestimmt der übliche Samstagsmorgenanruf ihrer Mutter. Sie hielt nichts davon, andere Leute durch das Hinterlassen ihrer Nummer zum Rückruf zu animieren. Sie behielt das lieber selbst in der Hand. »Wer weiß, ob es mir dann gerade passt«, pflegte sie immer zu sagen. Mit einem tiefen Seufzer schaltete Nicole ihr Handy lautlos. Ihre Mutter würde sich Sorgen machen, aber sie konnte jetzt nicht mit ihr sprechen, denn gerade in diesem Moment erschien eine Suchmaske auf dem Computerbildschirm.
Der Galerist gab den Namen »Frank Hagedorn« ein. Sekundenlang durchforstete das Programm die Kundenliste. Dann erschien eine Zeile mit »0 Einträge«. Przelomski blickte Nicole fragend an.
»Versuchen Sie es mal mit Margot Mehlmann-Larsen.«
Przelomski trat zur Seite und bedeutete ihr, den Namen selbst einzugeben. Nach wenigen Sekunden lasen sie das Ergebnis: »0 Einträge«. Enttäuscht biss sich Nicole auf die Lippe.
»Haben Sie noch andere Namen, die Sie eingeben wollen?«
Nicole schüttelte den Kopf. Es hingen eindeutig mehrere Bilder aus dieser Galerie in Hagedorns Wohnung. Wieso waren weder er noch Mehlmann-Larsen in Przelomskis Kundendatei aufgeführt? Oder führte sie der nette Galerist an der Nase herum? Waren dies gar nicht seine Kunden, die hier aufgelistet waren?
»Ich verstehe das nicht. Es hängen fünf Bilder, die eindeutig von Ihnen stammen, in der Wohnung des Vermissten. Da muss er doch ein verhältnismäßig guter Kunde sein, oder täusche ich mich?«
Herr Przelomski nickte bekräftigend. »Doch. Einem solchen Kunden schicken wir Einladungen zu Vernissagen oder zu ›Meet and Greets‹ mit neuen Künstlern. Gerade für eine solche Klientel haben wir ja diese Kundendatei ins Leben gerufen. Wenn er diese Werke persönlich bei uns gekauft hat, bin ich mir sogar sicher, dass mich meine Angestellten auf ihn aufmerksam gemacht hätten und ich ihn erkennen würde. Haben Sie vielleicht ein Foto von diesem Kunden?«
Nicole hätte sich für diesen Fehler ohrfeigen können. Natürlich! Sie hätte unbedingt das Phantombild mitnehmen müssen. Gott, war sie blöd.
»Leider nicht«, sagte sie beklommen. »Aber ich könnte Ihnen am Montag ein Bild faxen.«
»Gut. Sind Sie sich
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