Wie ich Brad Pitt entführte
Sonntagnachmittag leider schon so voll, dass sie gezwungen war, die Vorhänge der abgeteilten Plätze zurückzuschieben und nachzufragen, wie lange die Kollegen noch trainieren wollten. Beim dritten Platz waren ihr dann die Worte im Hals stecken geblieben. Sie hatte sofort erkannt, wer sich dort knutschend umarmte.
Plötzlich trat jemand weiter hinten in der Halle auf den Gang. Scherzende Stimmen drangen an ihr Ohr. Auf einmal konnte sie wieder klar denken. Der Schwindel schien auch besser zu werden. Vorsichtig löste sie erst die eine, dann die andere Hand von der Sprossenwand. Doch! Sie konnte wieder ohne Hilfe aufrecht stehen. Mit einem letzten Blick auf das »Paar« zog sie die Plastikabtrennung langsam wieder zu. Sie wusste, was zu tun war. Mit immer noch zittrigen Händen fischte sie das Handy aus ihrer Trainingsjacke und machte sich auf den Weg zurück zu ihrem Wagen.
»Nicole, es passt mir jetzt wirklich nicht! Meine Frau kommt bald wieder, und die Wohnung sieht aus, als wäre ein Hurrikan durchgefegt.«
»Tim, es tut mir sehr leid, aber diesmal muss ich darauf bestehen.«
»Kannst du deine Fragen nicht mit Max besprechen?«
»Nein. Nach unserem Gespräch wirst du auch verstehen, warum das keine so gute Idee ist.«
»Aber wir könnten doch kurz am Telefon …«
»Tim, du kennst mich. Ich dränge mich dir nicht ohne Grund auf. Es ist wirklich wichtig. Komm, sag mir deine Adresse, und wir reden beim Aufräumen.«
Tim atmete hörbar einmal tief durch. »Herderstraße 10.«
»Bin unterwegs.«
Auf allen vieren kroch Nicole durchs Kinderzimmer, sammelte unzählige kleine Plastikfigürchen auf und beförderte sie mit einem gezielten Wurf in eine in der Zimmermitte stehende, bunte Kiste. Tim Bach saß sichtlich geschockt auf dem Bett seiner Tochter und fuhr sich immer wieder mit der Hand durch die kurzen Haare, die schon jetzt irokesenmäßig zu Berge standen.
»Und du bist dir hundertprozentig sicher, dass es sich bei dieser Frau um Victoria Leenders handelt?«
Nicole nickte und fischte ein Minizebra unterm Kleiderschrank hervor. »Ist sie denn wirklich die Hauptverdächtige im Fall Schneider?«
»Für mich ja. Obwohl Max es immer wieder als Quatsch abgetan hat«, sagte Tim leise.
»Wieso?«
»Wir haben mit ihr gesprochen und ihre Wohnung durchsucht … weißt du, diese Leenders ist echt durchgeknallt. Überall hingen so Zettel mit merkwürdigen Sprüchen rum, und sie ist uns wie das personifizierte schlechte Gewissen hinterhergeschlichen. Ich habe eigentlich fest mit einem Geständnis gerechnet. Außerdem lagen Männer-Cowboystiefel auf dem Boden des Schlafzimmers. Genau solche, wie Schneider sie bei seinem Verschwinden getragen hat.«
»Warum habt ihr sie dann nicht gleich mitgenommen?«
»Nun, wir haben Schneider ja nicht gefunden. Aber ich war dafür, dass wir uns einen anständigen Durchsuchungsbefehl besorgen und die Wohnung mal so richtig auf den Kopf stellen … doch Max wollte nichts davon wissen.«
»Mit welcher Begründung?«
»Zuerst wollte er alle anderen Porschefahrer abklappern … das haben wir dann auch gemacht, aber die hatten alle bombensichere Alibis.«
»Und dann?«
»Dann hat er gesagt, dass wir uns nicht mit dem alten Leenders anlegen sollten, ohne etwas Festes in der Hand zu haben. Der säße mit all seiner Kohle und seinem Einfluss am längeren Hebel.«
Nicole warf Tim einen ungläubigen Blick zu. »Was? So ein Spruch von Max? Das passt doch null zu unserem furchtlosen Kämpfer für Recht und Ordnung!«
Tim nickte unglücklich. »Das habe ich auch gedacht, aber …«
»Aber?«
»Aber dann haben wir diesen Erpresserbrief mit der Lösegeldforderung zugespielt bekommen, und Max meinte, dass Victoria Leenders es doch niemals nötig hätte, jemanden aus Geldmangel zu entführen. Die Familie besäße ja nun wirklich genug Kohle.«
»Und was ist deine Theorie?«
»Ich meine, dass diese Leenders einen an der Waffel hat und in die Klapse gehört. Die ist einfach nicht ganz dicht in der Birne.«
»Aber warum hat sie dann den Schneider entführt?«
»Was weiß ich. Als Mutprobe. Oder weil sie ein Fan von ihm ist und ihn für sich alleine haben will.«
»Du bist also auch der Meinung, dass Max diese Leenders schützt?«
»Also, wenn es stimmt, dass er was mit ihr hat … ja. Doch ich glaube schon. Nur so ergibt das alles einen Sinn.«
»Und was machen wir jetzt?«
Tim blickte sie etwas ratlos an. »Sollen wir ihn einfach mal darauf ansprechen?«
»Habe ich
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