Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam
seiner Haustür grüßte freundlich, machte aber unsere Hoffnung auf einen Morgenkaffee zunichte. „No, no“. Nein, hier gab es nichts, nur verrostete Traktoren und Misthaufen.
Der scharfe Wind trocknete den Nieselregen auf unseren Jacken, doch die Wege wurden nasser und schlechter, der Nebel undurchdringlicher. Nur gespenstisches Sausen und Brausen wies uns die Richtung zum Monte Perdón und seiner Passhöhe mit gigantischen Windrädern. Und dann wurde der Weg grundlos, gabelte sich in zwei unbeschreibliche steile Matschpisten, und Maja und ich sahen uns nur genervt an: das hatten wir doch schon mal! Unsere Schuhe wurden immer schwerer, weil an den Sohlen Lehm zu fußballgroßen Klumpen verklebte, auf denen zu gehen sich schaurig anfühlte. Abschütteln war unmöglich, die Versuche, den Dreck abzustreifen, ebenfalls. In jeder der vielen Pfützen versuchte ich ihn abzuwaschen, doch beim nächsten Schritt war es wie vorher. Ausweichen ging nicht, rechts bricht der Berg steil ab, links ist Gestrüpp, dornig, undurchdringlich, ohne Baum und Strauch. Immer wieder blieben wir schnaufend stehen, erschöpft und fluchend. Doch kurz vorm Verzagen wurde der Untergrund fester, der Weg breiter. Aus dem Nieselgrau tauchte ein Brunnen mit einem Kruzifix und einer Steinbank auf. Gott sei Dank! Abgekämpft und matt, schier verloren in dieser undurchdringlichen Einsamkeit sanken wir auf die nassen Steine.
Was für eine Stimmung! Kein Wunder, dass an diesem Ort eine der düsteren Jakobuslegenden entstanden ist:
Einem einsamen, halbverdursteten Wallfahrer erschien der Teufel im Pilgergewand und versprach, ihm eine versteckte Quelle zu zeigen, falls er Gott abschwöre und stattdessen ihn anbete. Doch der fromme Mann verharrte auch angesichts des nahen Todes in seinem Glauben. Da erschien ein weiterer Pilger, brachte ihn zu dieser Quelle und gab ihm in einer Jakobsmuschel Wasser, bevor er verschwand. Kein Zweifel, der Apostel Jakobus selbst hatte eingegriffen.
Vielleicht hat er auch uns geholfen, denn der Weg zum Pass hinauf war nur noch kurz, und dort erwartete uns eine Überraschung: Im Nebel tauchte eine lange Reihe riesengroßer Stahlskulpturen auf: Pilger auf Pferden, Eseln oder zu Fuß unter einem glitzernden Sternenband auf dem Weg gen Westen. Kraftvoll und beeindruckend. Ich war entzückt und beschloss, dass sich die Anstrengung gelohnt hatte!
Bergab konnten wir freudig alle Anspannung loslassen. Nun gab es auch wieder Bäume, eine freundliche Heide- und Waldlandschaft mit einem sehr abschüssigen, steinigen Schotterweg. Und wenn schon. Nach diesem Aufstieg war uns alles recht, und statt mühselig herunterzustakeln, probierte ich zu hüpfen, sprang im Zickzack von Stein zu Stein und war im Nu, außer Atem, unten in Uterga. In einem richtigen Dorf. Jetzt aber endlich einen Café!
„Was sagt der Reiseführer, Maja?“ Die Antwort war deprimierend: „Es gibt hier weder eine Bar noch ein Restaurant.“ Schiet. Also zum Colaautomaten an der schnurgeraden Dorfstraße und zu den anderen nassen Gestalten auf die Bänke gehockt. Endlich die feuchten Sachen ausziehen, denn der Regen hatte nachgelassen und der Nebel war auch hinter uns zurückgeblieben; Nüsse, Käse und trockene Brotreste essen und die Beine von uns strecken. Es war still und friedlich, kein Auto fuhr, kaum ein Mensch war unterwegs. Die breite schmucklose Straße mit ihren durchgehenden Fronten dickwandiger, kleinfenstriger Häuser wirkte leblos und abweisend, doch der Ort gefiel mir.
Am Ende seiner scheinbar endlosen Hauptstraße gab es dann doch eine neu eröffnete Bar voller nasser Wanderer, und wir bekamen Café und heißes Wasser für meine Erkältung-weg-Zitronen-Therapie, konnten die Beine hoch legen und richtig trocknen, um erfrischt den nächsten Abschnitt in Angriff zu nehmen.
Zwei Kilometer bis Muruzábal, durch ein Schlaraffenland aus Brombeerhecken mit leckeren dicken Beeren, Pfirsichbäumen, die leider schon abgeerntet waren, durch Wein- und Mandelbaumfelder auf blassem Schottergestein. Zwei trockene Bänke vor der Klosterkirche von Muruzábal lockten uns zur Siesta, wir überlegten nicht lange, schliefen, den Kopf auf der Jacke und die Beine auf dem Rucksack. Danach sah die Welt gleich besser aus und sie war wirklich schöner, mit dem Pass hatten wir eine Wetterscheide überschritten, und über diesem verschlafenen, romantischen Ort und der weiten, grünen Landschaft schien die Sonne. Schnell wurde es heiß, doch in Vorfreude auf Eunate ertrugen
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