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Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam

Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam

Titel: Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: HanneLore Hallek
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voll gestopften Raum, mit allem, wonach ich giere: Brot und Obst und Zitronen. Beiße sofort in das schreckliche, weiße Pan, dass ich zu Hause nie essen würde, finde es köstlich und ich fühle mich gerettet. Dass die Straße aus dem Ort hinaus Richtung Friedhof ,Unvermeidliche Straße‘ heißt, kann mich schon wieder erheitern und das Gehen fällt mir gleich leichter.
    Vor uns liegen frisch gepflügte Felder und auf einem Hügel dazwischen erhebt sich, seit Jahrhunderten unverändert, das Wehrdorf Cirauqui, als wüchsen seine erdfarbenen Dächer aus der Landschaft. Der Camino führt durch ein Spitzbogentor in der Stadtmauer, windet sich zwischen eng stehenden Häusern und Palästen, über schmale Steigen und winkelige Plätze, hinauf bis zur höchsten Stelle der Stadt, dem Rathaus. Und hindurch, denn das alte Rathaus ist über dem Weg errichtet. Im Durchgang warten auf einem Tisch Stempel und Stempelkissen auf die Wanderer, ein hübscher, runder Stempel mit dem stilisierten Panorama Cirauquis, den wir uns zur Erinnerung in unsere Credenciale drücken. Von einer kühlen Steinbank unter den Arkaden schauen wir über den sonnigen Platz, beobachten Touristen und genießen die mittelalterliche Atmosphäre.
    Hinter dem westlichen Stadttor scheint die Toskana zu beginnen: Ein 2000 Jahre alter, holperiger Fahrweg aus der Römerzeit führt zwischen Zypressenreihen den Berg hinunter und mit einem halbverfallenen Brückenbogen über einen Bach, wird kurz von einer der vielen Schnellstraßen durchschnitten und begleitet uns als buckeliger Damm weitere 5 Kilometer durch einsames Ackerland, bis er an der nächsten Großbaustelle endet.
    Ich fühle mich besser, mein Fieber scheint vorbei zu sein, mein Kopf ist klar, nur die Nase tropft noch. Das ruhige Gehen tut mir gut, doch hier, an diesem idyllischen Flüsschen sollten wir eine längere Pause machen, um den schönen Tag zu genießen. Es ist der berüchtigte Río Salado, der ,Salzfluss’, vor dessen giftigem Wasser Pilger in alten Zeiten gewarnt worden sind. Wir wollen nur unsere Beine im kalten Wasser kühlen, weil es heiß geworden ist und unsere Füße schon wieder geschwollen sind. Da ist ein herrlicher Platz zum Rasten, unterhalb der alten Steinbrücke zwischen Felsen und grasbewachsenen Inseln. Dass dort schon ein Mann und sein Rucksack im Gras liegen, stört uns nicht. „Hola“, „Buenos días“. Es ist ein holländischer Pilger, der sich nach kurzem Woher und Wohin wieder seiner Lektüre zuwendet, einer telefonbuchgroßen spanischen Ausgabe von ‚Don Quijote’. Hilfe! Maja und ich verdrehen die Augen, unser Urteil ist einstimmig: Nur ein Mann bringt es fertig, ein derart schweres Buch auf dem Camino mit sich rumzuschleppen.
    Es ist wunderschön hier, doch unser Tagesziel Estella ist noch 10 Kilometer entfernt. Also schnüren wir wieder unsere Schuhe, rappeln uns auf und geraten in eine Gruppe Wanderer. Deutsche mit klitzekleinen Rucksäcken, deren Unterhaltung wir mit anhören. Sie sind eben aus einem Bus gestiegen, gehen 4 Kilometer und steigen dann wieder in den Bus, um weiterzufahren. Auch sie sind Pilger und auch ihr Ziel ist Santiago de Compostela, doch sie werden ab Pamplona nur eine Woche unterwegs sein. Eine Woche. So lange sind wir jetzt von zu Hause fort und haben erst einen kleinen Teil des Weges bewältigt. Nein, ich möchte nicht mit ihnen tauschen. Wir sind frei. Wie Landstreicher. Und als uns von einer Obstwiese dicke Äpfel anlachen und niemand weit und breit zu sehen ist, bin ich übermütig und pflücke die zwei Schönsten für uns.

    In Lorca füllen wir noch einmal unsere Flaschen mit dem bisher leckersten Wasser und wandern munter auf nahezu ebenen Wirtschaftswegen. Die Welt kann so schön sein, aber wieder beginnt es zu regnen. Richtig schlimm. Im Nu stehen Pfützen auf den Wegen, wird es kühl, sind wir nass und beginnen zu frieren. Nur jetzt nicht wieder erkälten; doch wir können uns nirgendwo unterstellen, müssen weiter durch den strömenden Regen. Hoffentlich finden wir in der Stadt vor uns Unterkunft. Villatuerta heißt sie, ist nass, grau und abweisend, doch in einem der Reihenhäuser an der Hauptstraße öffnet just eine Hospitalera die Tür ihrer privaten Herberge und bittet uns hinein.
    Schnell ins Trockene. Zwar ist der Schlafraum eng und voll gestellt, doch die Betten sind sauber und es gibt eine Wäscheleine, um unsere Kleider zu trocknen. „Ich koch heute Abend, wollt ihr auch essen? Es kostet 6 Euro.“ Das Angebot der

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