Wie ich Rabbinerin wurde
Aktivitäten des
Türkischen Kaufleutevereins
und die wachsende türkische Mittelschicht in Berlin schreibe, ruft dies die Kritik hervor, dass ich »kleinbürgerlichen Werten« das Wort redete. Da ich es ablehne, Ausländer ausschließlich als »unterdrückte Opfer« der deutschen Gesellschaft anzusehen, habe ich einen anderen Zugang zu ihren verschiedenen Subkulturen. Ich bin bestrebt, ihren aktiven Part im gesellschaftspolitischen Leben hervorzuheben. Dabei erlaube mir auch einen kritischen Blick angesichts der Verantwortung, die sie als Berliner Bürger mittragen, die aber von
taz
-Autoren und -Lesern bislang kaum eingefordert worden ist – da sie ja nur »Opfer«, also für ihre Situation nicht verantwortlich sind. So schreibe ich zum Beispiel eine Reportage über eine Moschee in meiner Nachbarschaft. In dem stickigen, zum Gebetsraum umfunktionierten Keller folgen die verschleierten Frauen dem über Lautsprecher übertragenen Gebet der Männer im Obergeschoss. Im Anschluss unterhalte ich mich mit einigen von ihnen. Mich bestürzt ihr hermetisch geschlossenes Weltbild, das jegliche Berührung mit der westlichen Gesellschaft ablehnt. Heute ist diese Moschee als radikal-islamistisch bekannt. Damals, als ich meine beklemmenden Eindrücke wiedergebe, wird mir »arrogante Fremdenfeindlichkeit« vorgeworfen.
Aber auch in der
taz
habe ich bisweilen Schwierigkeiten mit meinem Ansatz. Eine Reportage über eine Razzia durch Bordelle,in denen illegal aus Thailand eingereiste Prostituierte arbeiten, wird fast nicht gedruckt, weil, wie mir der Chef vom Dienst sagt, der Text »nicht klarstellt, dass die Thailänderinnen die Opfer und die Polizisten die Täter« sind. Tatsächlich habe ich in dem Artikel nicht nur über Schlepperringe und Menschenhändler geschrieben, sondern auch über Frauen, die aus freien Stücken bereits mehrfach nach Berlin gekommen sind.
Ich beginne allerdings – wenn auch aus anderen Gründen – ebenfalls an meinem journalistischen Ansatz zu zweifeln. Jeder, der sich auf die Immigrantenszene einlässt, stößt auch auf beunruhigende politische Kräfte. Sogar im links-alternativen
Immigrantenpolitischen Forum
äußert ein Mitglied unverhohlen Hass auf die »jüdische Lobby in den USA«. Mein Nachfragen erkennen die anderen nicht als Alarmsignal, sondern versuchen mich zu beschwichtigen: Ich solle solche Bemerkungen doch nicht persönlich nehmen. Aber darum geht es nicht allein. Ich erkenne, dass diese Gruppe nicht in der Lage ist, die Minderheitenrechte zu schützen, die sie selbst von der deutschen Gesellschaft fordert.
Es ist die
taz
, die meinen Ansatz als erste deutsche Zeitung zugelassen und bei den allmorgendlichen Themenkonferenzen diskutiert hat. Im Rückblick erkenne ich, dass die Erregung über meine Artikel ein positives Zeichen ist. Ich habe das richtige Thema berührt und dabei nur den ersten Aufschrei provoziert. Ihm würden in den folgenden Jahren große gesellschaftliche Debatten folgen, die bis auf den heutigen Tag nicht abgeschlossen sind. Dennoch münden die Angriffe gegen mich in eine Belastungsprobe, der ich damals noch nicht gewachsen bin. Mehrere Initiativen besetzen abermals die
taz
und verlangen, dass diese eine Erklärung auf der ersten Seite ihrer überregionalen Ausgabe veröffentlicht. Darin wird die
taz
des »Rassismus« bezichtigt. Eines der angeführten Beispiele ist ein Kommentar von mir, in dem ich erläutere, dass der antideutsche Ton in vielen Immigranteninitiativen nicht ausreiche, um konstruktive politische Veränderungen herbeizuführen. Die Besetzer verlangen,dass das Zitat mit meinem vollen Namen erscheint. Die
taz
, die selbstkritische Debatten nicht scheut, will die Erklärung drucken. Während einer Sitzung mit den Redakteuren und Besetzern erkläre ich mich damit einverstanden, dass aus meinem Artikel zitiert wird, jedoch ohne meinen Namen anzuführen. Erst kürzlich ist ein Kollege wegen eines kritischen Artikels von zwei »Autonomen« verprügelt worden: Sie haben ihm in seinem Hausflur aufgelauert, am nächsten Tag Feuer im Keller unter seiner Parterrewohnung gelegt und später, als er zur Arbeit fährt, Steine gegen die Windschutzscheibe seines Autos geworfen. Angesichts der geladenen Stimmung der Besetzer befürchte ich ähnliche Angriffe gegen mich, da ich durch die Veröffentlichung meines Namens bundesweit als »Rassistin« stigmatisiert werde. Die Redakteure stimmen meiner Bitte zu. Trotzdem erscheint am nächsten Tag mein Namenskürzel zum
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