Wie ich Schriftsteller wurde
...
Ich ließ in einer Eingebung zunächst im Geiste Jasna und
dann tatsächlich und gegenständlich ihre Handtasche fallen und folgte dieser
mit meinen Blicken in einer Art Super-Slow-Motion, bis sie mit einem unangenehm
undefinierbaren Geräusch und all der dunklen Materie darin auf Jasnas rot
lackierten Zehen landete. Die Geräuschkulisse wurde daraufhin noch
unangenehmer, ja geradezu quälend, was sowohl an den verborgenen Masseeinheiten
in der Tasche als auch an Red Killers Flucht lag, da war ich mir sicher. Ich
tat es ihm gleich und flüchtete, allerdings nicht stromabwärts, sondern in
Richtung Innenstadt. Und auch an eine Karriere als Lachs dachte ich nicht, mehr
an das Lachsbrötchen in meinem Kühlschrank, an das mich Red Killer erinnert
hatte, und an die fragile Gesundheit meines Nervenkostüms und schon bald nicht
mehr an Jasna.
Doch mein Traum geht weiter, und wie es in Träumen so ist,
mischen sich die Erfahrungen und Sachverhalte des Alltags und der Vergangenheit
auf merkwürdige Weise, und als ich zu Hause ankomme, sitzt vor meinem Computer
ein riesiger Goldfisch und sieht sich Pornos an. Ich ziehe es vor, aufzuwachen
und mit der Arbeit an meinem Roman fortzufahren.
Auf Messers Schneide
Beim Abendessen fällt mir wieder mein Freund Lars ein, der
Maler, ich bin darüber schwer ins Grübeln geraten. Es ist merkwürdig mit der
Kreativität. Genauer gesagt, es ist etwas Merkwürdiges mit ihr geschehen, seit
die Alt-68er sich in das ganz normale Leben eingeschlichen haben. Jeder glaubt,
dass in ihm ein Genie schlummere, auch jeder Dilettant.
Jeder ist mittlerweile ein Künstler, und deshalb musst du
dich hüten, wenn du irgendetwas über ein Bild an der Wand („Das hast du wohl
vom Sperrmüll?“) äußerst oder über die merkwürdige klobige Betonplastik im
Garten. Du bewegst dich da auf Messers Schneide. In der Regel ist davon
auszugehen, dass der Herr des Hauses sie mit eigenen Händen aus dem rohen Zement
erschaffen hat und dass alle Bilder an allen Wänden des Hauses von der Dame des
Hauses stammen, die zwar Industriekauffrau, aber in der eigentlichen Bestimmung
Künstlerin ist oder sein will. So scheiterten meine schönen Ansätze mit Regina,
deren Batiken ich versehentlich fernöstlichen Ramschmärkten zugeordnet hatte.
Bei Gerlinde geriet ich aber nicht wegen meiner ästhetischen
Ignoranz in Ungnade, sondern weil ich sie mit meiner Kritik künstlerisch
einengte. Zwei Künstlerinnen hatte ich in meinem Leben schon verloren. Ich
begieße die Erinnerung an sie ausgiebig und verringert einen angeheiterten
Freitagabend. Ja, das ist Stoff, der meinen Roman um eine trendige Komponente
aufwerten würde. Ich beschließe, sofort ein paar Zeilen niederzuschreiben,
schlafe aber darüber vor dem Rechner ein. Schöne Gedanken beim Einschlafen.
Fastfood Kid reitet wieder
Aufgewacht. Leere. Hatte gestern zwischen Tag und Traum irgendeinen
genialen Einfall, kann mich aber nicht mehr daran erinnern. Mir fällt auf, dass
es Samstag ist, und ich glaube, eine rettende Idee zu haben. Vielleicht
interessiert sich meine Leserschaft für mein merkwürdiges Samstags-Hobby: An
diesem Wochentag bin ich immer der Homo acceleratus , Fastfood Kid, der
heimatlose McDonald-Mann. Ich kreise in verschiedenen Radien um meine Stadt,
trinke Unmengen Cola light und esse immer irgend eine Kleinigkeit, nur um den
Frauen hinter dem Autoschalter in die Augen sehen zu können. Samstags sitzen da
die Hübschesten, haben Sie schon einmal darauf geachtet? Nicht in allen
Filialen, aber ich kenne meine und meide die mit alten, verhärmten und griesgrämigen
Hausfrauen im Glaskasten. Ja, ich bin sehr einsam, so ganz ohne einen Menschen,
wenn ich als Fastfood Kid unterwegs bin.
Es war auch an einem Samstag, als ich in der Filiale an der
Abfahrt Süd Clara traf. Sie war neu, hatte süße, nicht zu schlimme Hasenzähne,
aber darüber sehr schöne sinnliche Lippen, tiefe Augen und sah ungeheuer gut in
ihrer Uniform aus, besonders von hinten ... Sie kennen ja bereits meine
Vorlieben. Ein schönes Gefühl für einen Schriftsteller, wenn seine Leser seine
persönlichen Vorlieben kennen, auch wenn diese nicht eben katholisch sind. Deshalb
wartete ich immer gespannt auf den Moment, wenn sie sich umdrehte, um meine
Bestellung zusammenzutragen. Manchmal bestellte ich extra viele Einzelteile, um
ihr ein paar Sekunden länger zusehen zu können. Wie sie sich bückte, um Eis für
die Cola aus dem Behälter zu schaufeln. Sich
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