Wie im Film
den Weg in die Garderobe machte. Daniel war versucht, den Kerlen eine reinzuschlagen, was weniger mit ihren widerlichen Gebärden zusammenhing, von denen Vicky der Meinung war, dass sie einfach zu ihrem Job gehörten, sondern vielmehr, weil er irgendwie seinen Frust raus lassen wollte. Einzig der Gedanke, dass vermutlich gleich alle drei auf eine Provokation von seiner Seite aus reagieren würden, und er die nächsten Wochen unmöglich im städtischen Park würde arbeiten können, nachdem sie ihm sämtliche Knochen gebrochen hätten, hielt ihn auf seinem Platz, und er ließ den Kopf stattdessen in die Hände sinken. Die Musik war immer noch zu laut, aber wenigstens der Whisky begann, seine Wirkung zu entfalten. Daniel überlegte, ob er sich betrinken sollte, dann entschied er, dass das noch nie etwas in seinem Leben besser gemacht hatte, und er verzichtete darauf, ein weiteres Glas Whisky zu ordern. Das Ganze hier war ohnehin schon viel zu teuer. Er kramte in seinem Portemonnaie, um den letzten Schein auf den Tresen zu legen.
Als Vicky auf die Bühne kam, war er schon fast auf dem Sprung. Die Pfiffe und das Johlen der männlichen Gäste ging ihm heute unsäglich auf die Nerven, wenngleich Vicky durchaus ihr Bestes gab, diese ganz besondere Art von Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Als ihr die ersten Scheine in den knappen BH gesteckt wurden, rutschte Daniel von seinem Barhocker und ging zum Ausgang.
Im Neonlicht der Leuchtreklame des Clubs fischte er sein Handy aus der Tasche. Er lugte auf das Display. Drei Anrufe innerhalb der letzten Stunde — alle von seiner Mutter.
Daniel ging bis zur nächsten Ecke, wo der Lärm nur noch im Hintergrund wummerte und rief seine Mutter zurück. Es dauerte nicht lange, bis sie abhob. Daniel ahnte, dass sie die ganze Stunde vermutlich nichts anderes getan hatte, als das Telefon zu hypnotisieren. „Daniel, wir hatten dich zum Abendessen erwartet“, sagte seine Mutter tadelnd. Gedanklich schlug er sich vor die Stirn, als er auch schon erwiderte: „Das war heute? Ich dachte, wir wären für morgen verabredet.“
„Wir haben uns Sorgen um dich gemacht“, kam es noch vorwurfsvoller zurück.
„Tut mir leid, Mama. Ich hab's einfach vergessen.“ Ihr langes Schweigen zeigte ihm deutlich, was sie von seiner Schusseligkeit hielt. Als sie schließlich wieder sprach, fiel sie in denselben Singsang, wie sie es immer tat, wenn sie ihm Vorhaltungen machte. Sein Leben lang schon hörte er diese ganz besondere ,Melodie des Vorwurfs‘, auch wenn sie seit seines Outings ein paar neue Töne hinzugewonnen hatte.
„Dein Vater und ich machen uns ständig Gedanken, ob du auch gesund bist. Es gibt ja so vieles, das du geradezu herausforderst, seit du homosexuell bist.“
Daniel verdrehte die Augen. Seine Mutter glaubte offensichtlich immer noch, dass seine Neigung urplötzlich entstanden sei, und es war sinnlos ihr zu erklären, dass er schon immer der schwule Sohn gewesen war, dem sie so gerne vorhielten, wie gefährlich sein Sexleben aufgrund unheilbarer Ansteckungskrankheiten doch sei. Thomas hatte Meike geheiratet, und wie es sich für einen ,richtigen‘ Mann gehörte, war er gerade dabei, eine ,richtige Familie‘ zu gründen, indem er für seine Eltern Enkelkind Nummer Zwei in Arbeit hatte. Daniel hingegen hatte sich inzwischen damit abgefunden, in den Augen seiner Eltern ein verirrtes Schaf zu sein, dem nur die richtige Frau über den Weg laufen müsste, damit er wieder ,normal‘ wurde.
Langsam fühlte Daniel sich wirklich wie ein Schaf, und Vickys Kommentar dazu kam ihm in den Sinn, was ihn unweigerlich wieder an Eric denken ließ. Und plötzlich ritt Daniel der Teufel, als er laut und deutlich ins Handy sprach: „Mama, ich bin verliebt!“
Stille auf der anderen Seite. Er fluchte stumm. Dann hörte er sie fragen: „In einen Mann?“
Nun fluchte er hörbar. „Ja, Mama. Natürlich in einen Mann!“
Auf eine weitere lange Stille folgte: „Gehst du denn noch arbeiten?“
Daniel schüttelte verzweifelt den Kopf. Seine Mutter schien seine Verliebtheit mit einer Krankheit gleichzusetzen, die ihm eventuell die Fähigkeit zum Arbeiten rauben könnte.
Und das Schlimmste war, dass er sich tatsächlich krank fühlte, seit Eric seine Wohnung im Streit verlassen hatte.
„Ja, ich gehe noch arbeiten. Ich habe ihn sogar bei einer neuen Arbeit kennengelernt“, fügte er genervt an.
„Was für eine Arbeit ist das?“, klang es aus dem Handy.
Daniel runzelte irritiert die Stirn. Sie
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