Wie im Film
reagierte sonst nie so, wie er es von einem normalen Menschen erwarten würde, warum fing sie ausgerechnet bei diesem heiklen Thema damit an? Er verfluchte sich, weil er damit doch nur hatte unterstreichen wollen, dass er absolut nicht auf der faulen Haut lag, was seinen Lebensunterhalt anging. Nicht, dass sie noch glaubte, er hätte das Geld auf dem Konto angerührt, das sie ihm geschenkt hatte. Sein Stolz verbot es ihm, dieses Geld auszugeben, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ. Und nun kam er in echte Erklärungsnot, als er ihr antwortete. „Das war bei ... ich wollte da was im künstlerischen Bereich machen, aber es hat sich zerschlagen.“ Seine Mutter seufzte vernehmlich und sagte: „Du hast schon immer so schön gemalt.“
Daniel verdrehte die Augen über soviel Missverständnis. Sollte seine Mutter doch glauben, was sie glücklich machte. Ihr zu sagen, dass er nur knapp an einer Pornofilmkarriere vorbei geschlittert war, kam ohnehin auf keinen Fall infrage.
„Mama, ich muss Schluss machen. Ich komme dann einfach nächste Woche Mittwoch zum Essen, in Ordnung?“
„Aber wolltest du nicht morgen kommen?“, warf seine Mutter ein.
Daniel geriet abermals in Erklärungsnot. „Eigentlich sollte ich ja heute kommen. Und jetzt möchte ich euch morgen nicht zur Last fallen, deshalb komme ich nächste Woche, dann sind wir wieder in der richtigen Reihenfolge“, ratterte er hinunter.
Seine Mutter schwieg so lange, dass er schon glaubte, sie habe einfach aufgelegt, bis er sie laut seufzen hörte. „Daniel, wir sehen dich viel zu selten.“
„Einmal die Woche, Mama, das ist nicht selten“, dementierte er. „Bring ihn nicht mit“, sagte sie plötzlich, und Daniel hatte das Gefühl, sein Handy stehe von einer Sekunde zur anderen unter Strom, um ihm das Gehirn zu braten. Ehe er etwas erwidern konnte, sagte sie flehentlich flüsternd: „Das ist sehr schwer für deinen Vater. Der Arzt hat Bedenken wegen seines Herzens. Reg ihn nicht unnötig auf und lass deinen Freund zuhause, wenn du zu uns kommst. Und sprich bitte nicht über ihn, das erträgt dein Vater im Moment nicht.“
Es war nicht die erste emotionale Erpressung, die er durch seine Eltern erfuhr, und Daniel ahnte, dass es vermutlich auch nicht die Letzte sein würde. Seine Eltern bemühten sich darum, ihn zu sehen, mit ihm Kontakt zu halten, und auch wenn sie es einfach nicht schafften, zu akzeptieren, wie er war, so musste er ihnen doch anrechnen, dass sie sich nicht von ihm abwendeten, wie er es schon so oft bei anderen Homosexuellen und deren Eltern erlebt hatte. Und so stimmte er zu, den Mann nicht mitzubringen, in den er verliebt war — ein Versprechen, das er wohl zwangsläufig halten würde, denn Eric war fort.
Es traf ihn abermals wie ein Stich. Ein fieser, tiefer, schmerzhafter Stich des Verlustes.
Daniel verabschiedete sich, steckte das Handy wieder ein und machte sich zu Fuß auf den Weg zu seiner Wohnung. Als er an einer Schwulenkneipe vorbeikam, in der er schon öfters eine Eroberung für eine Nacht hatte an Land ziehen können, verharrte er einen Moment. Seine Hand lag schon an der Türklinke, als er es sich anders überlegte und den Weg nach Hause fortsetzte. Trinken war keine Lösung — ein sinnloser One-Night-Stand wäre vielleicht eine gute Möglichkeit, sich abzureagieren, aber Daniel ahnte, dass der Sexkater wesentlich schlimmer werden würde, als der, wenn er zu tief ins Glas geblickt hätte.
Die Nacht war nicht abweisender als jede andere in der belebten Kölner Innenstadt, die er inzwischen sein Zuhause nannte. Und trotzdem kam es Daniel zum ersten Mal seit Langem in den Sinn, dass die ländliche Idylle, in der er aufgewachsen war, durchaus auch ihren Reiz hatte. Den Reiz der Ruhe und des
Friedens. Wie lange ein solcher Frieden allerdings auf dem Land gegeben wäre, wenn die lieben Nachbarn erst mal wussten, dass er nicht der klassischen Vater-Mutter-Kind-Variante angehörte, war fraglich. Nicht umsonst war er so früh wie möglich in die Vielfalt der Großstadt eingetaucht und verschmolz im Tiegel der Unterschiedlichkeiten. Und auch das Angebot war hier entschieden größer. Daniel traf auf Gleichgesinnte, die willig waren, ohne am folgenden Tag darüber zu diskutieren, wer die nächsten fünfzig Jahre den Müll runter trug. Es war gut, dass er so frei war — ungebunden — Herr über sein eigenes Leben. Warum sollte er das aufgeben? Für wen?
Wie die aufdringlichen Leuchtreklamen um ihn herum, tauchte ein Name in
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