Wie im goldenen Kaefig
hundert Pfund lagen. Abgesehen davon war sie praktisch mittellos.
Natürlich hätte sie wieder zu ihrem Vater ziehen können, aber nach zwei Jahren als Ehefrau kam diese Möglichkeit nicht infrage. Außerdem war sie auf diese Weise unabhängig, da Zeke nicht wusste, wo sie sich befand, und das passte ihr gut. Bei dem Gedanken an Zeke war ihr die Kehle plötzlich wie zugeschnürt, aber weinen wollte sie nicht.
Sie hatte vor, sich Arbeit als Kellnerin oder Verkäuferin zu suchen, um die nächsten Wochen zu überbrücken und sich in Ruhe zu überlegen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte. Und sie würde es schaffen. Ganz bestimmt würde sie Zeke und Liliane nicht die Genugtuung gönnen, dass sie aufgab. Also zwang sie sich, an die nächsten Schritte zu denken: Sie musste das Nötigste einkaufen und einen Job suchen. Erinnerungen an Zeke machten sie schwach, also verdrängte sie diese.
Der Supermarkt an der nächsten Straßenecke wurde von einer polnischen Familie betrieben, die jeden Kunden persönlich kannte und wie einen Freund begrüßte. Dort kam Marianne gleich ins Gespräch und erzählte, dass sie in Nummer siebzehn eingezogen sei und Arbeit suche.
Als sie am nächsten Tag nach erfolgloser Jobsuche den Supermarkt betrat, um Milch zu kaufen, bot ihr Mrs. Polinski als Übergangslösung die Stelle ihrer Tochter im Laden an. Die nämlich wollte mit ihrem Mann einige Wochen lang seine Familie in Polen besuchen.
Marianne nahm das Angebot dankbar an, weil das Guthaben auf ihrem Konto bedenklich geschrumpft war, nachdem sie eine Monatsmiete bezahlt und einige Kleidungsstücke und Vorräte gekauft hatte. Die Polinskis waren nett, und die Arbeit war nicht schwer, aber Marianne litt unter der plötzlichen Umstellung ihres Lebens und unter der Trennung von Zeke. Nach drei Tagen Beschäftigung kam ihr erster freier Tag, der Sonntag, und sie fühlte sich einsam. Niemand, für den sie kochen musste, keiner zum Reden - nur sie selbst. Sie hatte nicht einmal einen Fernseher, mit dem sie sich hätte ablenken können.
Den Sonntag überstand sie, indem sie in ihrem Zimmer einen gründlichen Frühjahrsputz machte und danach ins Kino ging. Ihrem Vater hatte sie einen Brief geschrieben, in dem sie alles erklärte. Da sie wusste, dass er eher mit Zekes als mit ihrer Entscheidung einverstanden war, hatte sie ihn ohne Absender abgeschickt. In einigen Wochen, wenn sie sich eingelebt hatte, wollte sie mit Zeke Kontakt aufnehmen, um über die Scheidung zu sprechen.
Etwa zwei Wochen später ging sie nach Feierabend beschwingt nach Hause.
Sie kam mit der Arbeit gut zurecht, weinte sich nicht mehr jede Nacht in den Schlaf und hatte beschlossen zu studieren. Sie war eben doch eine Kämpfernatur, auch wenn sie sich vor dem Scheitern ihrer Ehe nicht so gesehen hatte. Zeke und Liliane würden sie nicht unterkriegen. Solange sie nichts von ihnen sah und hörte, war alles in Ordnung.
“Marianne?”
Sie blieb erschrocken stehen und hoffte, die dunkle Gestalt, die ihr aus einem Ladeneingang entgegentrat, wäre ein Produkt ihrer Einbildung. Doch dann kam Zeke einen Schritt auf sie zu. Sie reagierte unwillkürlich, machte auf dem Absatz kehrt und lief davon.
Schon vor der nächsten Kreuzung holte Zeke sie ein. Das war zu erwarten, dachte Marianne mutlos, denn er war groß, athletisch gebaut und trainierte regelmäßig, um sich fit zu halten.
Jetzt packte er sie fest am Arm und drehte sie zu sich herum. “Wieso läufst du vor mir weg?” fragte er wütend. “Für welch ein Ungeheuer hältst du mich eigentlich? Ich werde dir doch nicht wehtun, Marianne.”
Mir nicht wehtun? Beinahe hätte sie ihm ins Gesicht gelacht. Merkte er nicht, dass sein Verhalten sie fast umbrachte?
“Wie … Wie hast du mich gefunden?” Sie versuchte, seine Hand abzuschütteln, aber er ließ nicht los.
“Das ist doch egal”, antwortete er irritiert. Da sie ihn weiter fragend ansah, fügte er etwas ruhiger hinzu: “Ich habe jemanden damit beauftragt, dich zu suchen. Reicht dir das?”
„Was hast du getan?” fragte sie aufgebracht. “Wie kannst du es wagen, Zeke!“
„Es wagen? Du verlässt mich Hals über Kopf, hinterlässt nur eine kurze Notiz und fragst mich, wie ich es wagen kann, dich zu suchen? Du bist unbezahlbar.”
“Genau, und du kannst dir mich nicht leisten”, sagte sie mit scharfer Stimme.
“Ich betrachte Treue als einen unschätzbaren Wert, und das ist dir offensichtlich ein zu hoher Preis.”
Er sah sie wütend an. “Ich will
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