Wie im goldenen Kaefig
dieses Thema nicht weiter hier in der Öffentlichkeit besprechen.” Damit schob er sie zielstrebig vor sich her auf das Haus zu, in dem sie ihr Zimmer hatte.
“O nein. Du setzt keinen Fuß in meine Wohnung.” Sie wehrte sich so entschlossen, dass er merkte, wie ernst es ihr war.
“Deine was?” Er starrte sie an, als wäre sie verrückt geworden.
Vielleicht bin ich ja verrückt, dachte Marianne. So viele Ehefrauen sahen über die kleinen Indiskretionen ihrer Männer hinweg, aber sie gehörte nicht dazu.
Schließlich liebte sie ihn, wenn auch wider Willen. Er war ihr sehr wichtig, doch das würde sie ihm jetzt nicht zeigen.
“Meine Wohnung”, wiederholte sie eisig. “Vielleicht genügt es deinen gehobenen Ansprüchen nicht, aber mein kleines, möbliertes Reich bedeutet mir mehr, als es dein durchgestyltes Apartment je getan hat. Ich hasse dein Apartment, Zeke. Es ist kalt und unbehaglich.” Genau wie die Frau, die es entworfen hat, fügte sie in Gedanken hinzu.
“Na großartig! Da du nun klargestellt hast, wie du meinen Geschmack - oder eher meinen Mangel an Geschmack - einschätzt, können wir uns vielleicht unterhalten. Denn miteinander reden werden wir, Marianne, und wenn ich dich dafür irgendwohin tragen muss.”
“Keine Sorge, das brauchst du nicht.” Sie fand selbst, dass dieser Dezemberabend bitterkalt war und ein schneidender Wind wehte. “Eine Straße weiter ist ein kleines Weinlokal, das ganz gut sein soll. Dort können wir reden.”
“Bist du sicher, dass um diese Zeit genügend Gäste anwesend. sind, damit du keine Angst vor mir zu haben brauchst?”
„Ja, ganz sicher.” Sie ignorierte seinen Sarkasmus, entwand sich seinem Griff und trat einen Schritt zurück. Diesmal ließ er sie los.
Marianne blickte zu ihm auf und musste zugeben, dass er einfach umwerfend gut aussah. Seine magnetische Anziehungskraft wirkte so stark wie eh und je auf sie. Er trug einen anthrazitfarbenen Mantel, der seine ohnehin breiten Schultern noch betonte, und sein rabenschwarzes Haar und die markanten Wangenknochen verliehen ihm im schummrigen Laternenlicht ein düsteres und unheimlich romantisches Flair.
Sie wandte sich unvermittelt ab und ging den Weg zurück, den sie zuvor gelaufen war. Offenbar lag Zeke etwas an ihr. Jedenfalls genug, um sie suchen zu lassen. Nein, bestimmt ging es nicht um sie persönlich. Er betrachtete sie als sein Eigentum, das war alles. Ebenso wie seine Autos, seine Firma und andere Besitztümer war sie Teil seines Lebens.
Es ging eben nicht nur um Liliane, obwohl das schlimm genug war. Wie oft hatte sie in den letzten zwölf Monaten versucht, mit ihm zu sprechen, nur um beiseite geschoben oder, schlimmer noch, gönnerhaft behandelt zu werden. Er hatte sie in seine unfreundliche Wohnung gesteckt und erwartet, dass sie dort glücklich wäre. Sie sollte ihn als ihr Ein und Alles betrachten, andere Interessen waren nicht vorgesehen. Jetzt war sie heilfroh, dass sie keine Kinder mit ihm hatte.
Der Gedanke erschreckte sie. Aber in dem Fall hätte sie nur ein neues Etikett bekommen: “Ehefrau und Mutter seiner Kinder”. Die wahre Marianne, die mit jedem Ehemonat mehr und mehr verschwunden war, wäre unter ihren Ehe-und Mutterpflichten begraben worden. Dabei hatte er sich doch ursprünglich in die wahre Marianne verliebt. Oder nicht? Sie war sich nicht einmal dieser Tatsache mehr gewiss. O Zeke, bedauerte sie insgeheim, wie konnten wir es nur so weit kommen lassen?
“Isst du auch vernünftig?” Seine tiefe Stimme schreckte sie aus ihren düsteren Gedanken auf.
“Was?”
“Ich habe dich gefragt, ob du auch vernünftig isst”, wiederholte er ungeduldig.
“Du siehst dünner aus.”
Erst jetzt, als er seine Sorge äußerte, bemerkte Marianne, dass sein Gesicht um die Augen und den Mund Zeichen von Anspannung verriet. “Ich esse genug”, antwortete sie und hoffte, er würde nicht zu freundlich zu ihr sein. Das könnte sie nicht ertragen.
“Die ganze Situation ist verrückt, Marianne. Das weißt du bestimmt selbst.”
“Wir sind da.” Schnell kehrte sie ihm den Rücken zu und eilte die wenigen Stufen hinunter in das Kellerlokal.
Sie meinte, ihn fluchen zu hören, nahm aber keine Notiz davon. Er folgte dicht hinter ihr, als sie durch den bogenförmigen Eingang die Gaststube betrat, in der es hell, laut und warm war. In der Nähe der Bar ergatterten sie noch einen freien Zweiertisch. Marianne schaute Zeke nach, als er zur Bar ging, um Getränke zu holen. Er bewegte sich
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