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Wie Inseln im Strom

Wie Inseln im Strom

Titel: Wie Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O`Brien
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betrachtete sie sie mit Adams Augen und sah so viel Schönheit, so viel Energie, so viel Trotz. Und zugleich sah sie die kindliche Verletzlichkeit.
    “Weißt du, ich glaube nicht, dass ich Gwen eine sehr gute Mutter war”, gestand sie.
    “Nein?”
    “Nein. Sie wollte keine Mutter. Sie war dreizehn und sehr störrisch. Die Vorstellung, eine Stiefmutter zu bekommen, die nur fünf Jahre älter als sie war, muss für sie entsetzlich gewesen sein. Also hat sie mich aus ihrem Leben ausgeschlossen.”
    Das Essen wurde serviert, und Lacy schwieg, bis der Kellner wieder fort war. Sie hoffte, dass Adam sie nicht mehr auf Gwen ansprechen würde.
    Er schnitt ein Stück von seinem Steak. “Also hat sie dich abgelehnt. Mit dreizehn ist das wahrscheinlich normal. Aber es wurde nicht besser?” Es schien ihn wirklich zu interessieren.
    “Nein, eher schlimmer. Malcolm ertrug den Dauerstreit nicht, also schickte er sie auf ein Internat.” Lustlos stocherte Lacy in ihrem vegetarischen Couscous herum. “Das hat Gwen mir nie verziehen.”
    Sie nippte am Wein und schaute aufs Wasser hinaus.
    “Damals habe ich es nicht verstanden, aber jetzt weiß ich, dass sie sich von mir im Stich gelassen fühlte. Ich hätte Malcolm widersprechen und darauf bestehen sollen, dass sie bei uns bleibt.”
    Er zog eine Braue hoch. “Malcolm Morgan widersprechen? Du warst achtzehn, Lacy. Ich habe erwachsene Männer vor Malcolm zittern sehen, wenn er zornig wurde. Aber er war schon immer ziemlich verrückt nach dir gewesen, nicht? Vielleicht hättest du …”
    “Ja, vielleicht hätte ich das”, unterbrach sie ihn. “Aber mir fehlte einfach der Mut. Ich war …” Sie musste vorsichtig sein und aufpassen, was sie sagte. “Ich fürchte, ich habe nur an mich gedacht. Mir war nicht bewusst, wie sehr sie gelitten hat.”
    Aber wie hätte sie es bemerken sollen? Ihr eigener Schmerz machte sie blind für andere. Sie hatte so viel verloren, keinen Raum für Gefühle außer der eigenen Trauer gehabt und nur von einem Moment zum nächsten gelebt. Allein das Überleben hatte all ihre Kraft gekostet.
    Und als sie endlich aus diesem Albtraum erwachte, war es zu spät. Sie und Gwen waren wie Fremde. Nein, noch schlimmer. Aus Gwens Abneigung war Hass geworden.
    Ein plötzliches Vibrieren an ihrem Oberschenkel riss sie aus den tristen Erinnerungen. Sie nahm das Handy heraus und sah auf die Anzeige. Der Anruf kam aus dem Krankenhaus. Hastig meldete sie sich.
    Das Gespräch war kurz. Danach sah sie Adam an.
    “Ich muss ins Krankenhaus”, seufzte sie. “In einem der neuen Räume ist ein kleines Feuer ausgebrochen. Vermutlich hat jemand dort geraucht.” Sie stand auf. “Es ist schon gelöscht, aber irgendwie hat die Presse davon Wind bekommen und will einen offiziellen Kommentar. Leider ist das mein Job.”
    Er legte einige Geldscheine auf den Tisch. “Ich fahre dich hin.”
    Sein Steak war erst halb aufgegessen, aber sie hatte keine Zeit, mit ihm zu diskutieren. Und außerdem wollte sie nicht, dass ihr Rendezvous schon zu Ende war.
    “Na gut”, erwiderte sie. “Danke.”
    Offenbar geschah an einem Freitagabend im Sommer auf Pringle Island nichts wirklich Interessantes. Ein von einer Zigarettenkippe ausgelöster Brand in einem Abfalleimer im leer stehenden Flügel des Krankenhauses reichte aus, um sämtliche Journalisten der Stadt anzulocken.
    Adam sah zu, wie Lacy ihre ersten beiden Interviews gab, und bewunderte, wie ruhig sie die sensationshungrigen Fragen beantwortete. Im Licht der Fernsehscheinwerfer war ihr Gesicht wunderschön. Doch als die Zeitungsreporter sich auf sie stürzten, wanderte er davon, um den Verkaufsautomaten zu suchen.
    Als er ihn endlich fand, schmeckten die beiden Käsestangen wie gesalzene Pappe – ein trauriger Ersatz für ein leckeres Steak. Er würgte sie hinunter und wünschte, er hätte die Flasche Chardonnay mitgenommen. Schließlich ging er in Lacys Büro, setzte sich auf die Besuchercouch und las in den Broschüren, in denen um Spenden für die Neugeborenenstation geworben wurde.
    Eine Stunde später erschien Lacy in der Tür. “Es tut mir so leid”, sagte sie, streifte die silbernen Sandaletten ab und ließ sich neben ihm auf die Couch fallen. “Ich hatte keine Ahnung, dass es so viele sein würden.”
    “Kein Problem”, antwortete er. Aber warum hatte er so lange auf sie gewartet und sich die Zeit mit langweiligen Prospekten vertrieben, anstatt ins Hotel zurückzukehren – oder ins Restaurant? Er beschloss, dass

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