Wie Jakob die Zeit verlor
lasziven Grinsen an und bewegt sein Becken hin und her, als würde er ihn ficken. Jakob, der an den Stangen des Metallgeländers steht und von oben auf die im Boden eingelassene Tanzfläche starrt, bekommt weiche Knie.
„Nein.“ Jakobs Mundwinkel zittern. Er flüstert das Wort beinahe und springt auf, als könnte er damit die Erinnerung verscheuchen, als könnte er sie zurückdrängen in den hintersten Winkel seines Kopfes, dort, wo er alles, was mit Marius zu tun hat, fest verschlossen hat. Er reißt die Balkontür auf und läuft auf die Terrasse.
Draußen geht es ihm sofort besser, das enge Gefühl in seiner Brust verschwindet, aber er bleibt noch ein wenig, atmet die Gewitterluft ein, bis die ersten dicken Tropfen neben ihm auf den Boden klatschen, während der Wind fordernd an seinem Hemd zerrt. Er will gerade zurück in die Wohnung flüchten, als er ein jammerndes, quäkendes Geräusch in seiner Nähe hört. Verunsichert starrt er den Bambus an, aber dessen Blätterrascheln ist so gleichgültig wie zuvor. Der Regen wird stärker, prasselt energisch vom Himmel, und Jakob wischt ein paar Tropfen ab, die in seinen Wimpern hängenbleiben. Das Quäken wird lauter, es klingt verloren, herzzerreißend. Er dreht sich um, sein Blick untersucht die Gaube, die für ihr Wohnzimmer ins Dach geschlagen worden ist, und dort entdeckt er den Ursprung des Klagegeschreis. Ein Kätzchen hockt zusammengekauert in der Regenrinne über der Terrassentür und maunzt auf ihn herab.
„Wo kommst du denn her?“, fragt Jakob, dann zieht er einen der Balkonstühle nach vorne, klettert hinauf und packt die widerstrebende Katze mit beiden Händen. Als sie sich ins Wohnzimmer gerettet haben, sind beide völlig durchnässt, und während Jakob die Terrassentür zuschlägt und der Regen in dichten Schlieren an den Fensterscheiben herunterläuft, flüchtet die Katze unter die Couch. Etwas schwerfällig kniet sich Jakob auf den Boden und linst unter das Sofa. Gelbe, weit aufgerissene Augen fixieren ihn, doch als Jakob vorsichtig seine Hand ausstreckt, kommt das verschreckte Tier nach vorne und beschnuppert zögernd seine Finger.
Katzen mögen Jakob, sie spüren sein Einfühlungsvermögen, akzeptieren seine grundsätzliche Sympathie für ihre Spezies. Schon als Kind hat er gewusst, dass er eine Katze nur zu ihren Bedingungen kennenlernen kann, und hat sich dementsprechend verhalten: abwartend, ruhig, respektvoll.
Schon nach wenigen Minuten hat Jakob den Findling aus seinem Versteck gelockt und streicht ihm sachte den Regen vom Rücken. Die Katze ist schwarzweiß gemustert, mit einer weißen Nase und einem weißen und einem schwarzen Ohr. Das kurze, glatte Fell sieht gesund aus, aber sie trägt kein Halsband, keine Adresse, und Jakob fragt sich, wo sie wohl ausgerissen ist. Nur einer ihrer Nachbarn besitzt eine Katze, aber es ist ein alter, überfetteter Persermischling. Vielleicht aus den umliegenden Häusern? Das Dach ihres Hauses hat nur eine geringe Neigung, ein ideales Streifgebiet für herumstreunende Katzen, aber diese hier macht eher den Eindruck eines gutsituierten Stubentigers. Scheu ist sie auch nicht, mittlerweile lässt sie sich schon den Nacken kraulen und beginnt zu schnurren. Jakob lächelt versonnen. Es ist über zwanzig Jahre her, dass er eine Katze gehabt hat.
„Wir werden dich Truman nennen“, flüstert er ihr zu. „Oder besser Trumi?“ Die Katze blinzelt zustimmend und damit ist die Sache klar. Jakob hat sich schon durch einen prüfenden Blick versichert, dass es sich um einen Kater handelt. Körperbau und Größe sagen ihm, dass es ein relativ junges Tier ist, vielleicht ein Jahr alt, vielleicht etwas mehr.
Während die Katze anfängt, sich zu säubern, stellt Jakob ihr die praktischen Dinge des Alltags zur Verfügung. Unter der Küchenspüle zerrt er eine alte Plastikschüssel hervor, die er mit Rindenmulch füllt, aus einer Tüte, die er auf der Terrasse unter der Gaube gelagert hat. Das Gewitter hat sich inzwischen ausgetobt und ist nach Norden gewandert. Ein paar Tropfen fallen noch, ansonsten klärt sich der Himmel schon wieder auf. Aber der Terrassenboden ist von einem Wasserfilm überzogen, und Jakob kommt auf dem glitschigen Untergrund ins Rutschen, als er den Rindenmulch in die Wohnung schleppt.
„Das ist jetzt dein Katzenklo, Trumi“, sagt er. „Zumindest für heute Nacht musst du damit vorliebnehmen. Morgen kann ich richtige Katzenstreu besorgen.“ Probeweise setzt er den Kater in die Schüssel, und
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