Wie Jakob die Zeit verlor
mindestens einmal die Woche, um sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen. Er wusste, dass Michael ihr mehrmals untreu gewesen war, dass sie unter dem frühen Tod ihres Vaters litt und ausgesprochen ehrgeizig war. Sie hatte seine Entwicklung als schwuler Mann beobachtet, Rat und Trost gespendet und sich dabei aber immer eine gewisse kritische Distanz bewahrt, was Jakob schätzte.
Und jetzt hatte er beschlossen, Marius Katrin vorzustellen, an einem verregneten Oktoberabend bei einem Essen in Katrins Wohnung. Beide waren Teil seines Lebens, es war Zeit, dass sie einander kennenlernten. Marius hatte sich die letzten Tage nicht besonders gefühlt – eine Erkältung, die er einfach nicht los wurde und die ihn blass aussehen ließ – und war in Köln geblieben; eine unverhoffte Möglichkeit für ihn und Jakob, auch während des Semesters in der Woche Zeit miteinander zu verbringen.
„Was gibt’s denn zu essen?“, fragte Jakob. Marius stand etwas verloren in der Küche, nicht sicher, ob er sich schon setzen durfte, während Katrin an mehreren Töpfen am Herd hantierte, in der linken Hand einen Kochlöffel, in der rechten ein Geschirrtuch. Er hatte darauf bestanden, ihr einen Blumenstrauß mitzubringen, eine Geste, die Jakob zu förmlich und irgendwie altmodisch fand, aber zu seiner Überraschung von Katrin mit einem freudigen Lächeln quittiert wurde. Jetzt standen die gelben und weißen Fresien in einer Vase auf dem Tisch.
„Na, was schon? Spaghetti Bolognese natürlich. Das ist das Einzige, was ich kann.“ Sie blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Macht den Rotwein auf und bedient euch schon mal. Ich bin hier noch ein bisschen beschäf… Scheiße!“ Ein Topf war übergekocht und verteilte blubbernd Fleischsoße über den Herd. Marius sprang ihr zur Seite und drehte die Herdplatte herunter. „Gott, ich hasse Kochen“, seufzte Karin und sank erschöpft auf einen Küchenstuhl. „Sobald ich genug Geld verdiene, gehe ich essen. Jeden Tag.“ Sie nahm Jakob das Glas Wein ab, das er gerade an Marius weiterreichen wollte, und genehmigte sich einen großen Schluck.
„Wo ist Michael?“, erkundigte sich Jakob. Eigentlich hatte es ein Essen zu viert werden sollen.
„Frag nicht. Er hat gerade angerufen und abgesagt“, winkte Katrin mürrisch ab. „Angeblich hat er so viel zu tun. Er macht seit zwei Wochen ein Praktikum beim WDR. Ich glaube, er hat was mit einer Redakteurin. Anett dies, Anett das. Ich bin sofort misstrauisch geworden.“
„Du solltest ihn in den Wind schießen.“
„Aber er ist gut im Bett!“
Marius grinste und Katrin warf ihm einen empörten Blick zu. „Für euch Schwule ist das mit dem Sex einfach. Ihr geht mal eben in die Sauna oder schleppt jemanden in einer Kneipe ab. Kann ich als Frau nicht machen.“
„Wieso? Du kannst auch in eine Kneipe gehen und …“
„Hah! Dann bin ich doch sofort eine Schlampe!“, erwiderte Katrin und schüttelte den Kopf. Mit einem kritischen Blick nahm sie Marius genauer unter die Lupe. „Schon viel über dich gehört. Jakob ist ja ziemlich verliebt.“
„Ich auch“, erklärte Marius.
„Das ist gut. Wenn du ihm wehtust, reiß ich dir die Eier ab.“
Marius sah sie einen Augenblick überrascht an, dann brach er in schallendes Gelächter aus. „Soll ich vielleicht das mit dem Kochen übernehmen?“, fragte er. Wortlos hielt ihm Katrin den Kochlöffel hin. Während Marius die Soße mit Rosmarin und italienischen Kräutern verfeinerte, kamen die beiden aufs Studium zu sprechen. Katrin erzählte, dass sie vorhatte, im Unibetrieb zu bleiben.
„Wirklich?“, mischte sich Jakob ein. „Das höre ich zum ersten Mal.“ Bisher hatten Karrieren bei einer Zeitung und in einem Verlag zu Katrins favorisierten Plänen gehört. Andere Ideen wie etwa die Eröffnung eines Nagelstudios oder Mätresse des Bundeskanzlers waren eher halbherzig von ihr vorgetragen worden.
„Ich bin für etwas anderes nicht geeignet“, erklärte sie, während sie an einem Käsecracker knabberte und ihre Füße auf Jakobs Schoß legte. „Lehrerin werde ich nie und nimmer. Ich hasse Kinder! Und ich mag Lesen, das Forschen an einem Text oder über einen Autor. Etwas herausfinden über die gesellschaftlichen und historischen Zusammenhänge, in denen der Text entstanden ist. Ich werde Dozentin. Ich bin ganz sicher.“
„Dann musst du auch unterrichten!“
„Aber keine Kinder. Und ich muss nicht mehr als zwei oder drei Kurse geben. Den Rest der Zeit kann ich
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