Wie keiner sonst / ebook (German Edition)
Toilette, um weiterzuhusten.
Petra sagt, sie sei müde und wolle schlafen gehen. Sie hoffe, dass ich bald komme. Sie habe noch nie Sex in ihrem alten Zimmer gehabt. Ihr Vater schlafe tief, und sie würde auch die Porzellanpuppen umdrehen, damit sie uns nicht zuschauen.
»Mein alter Tata«, sagt Petra, als ihr Vater zurückkommt. Sie küsst ihn. »Bleibt nicht zu lange auf.«
Sie schickt mir einen unmissverständlichen Blick und schließt die Tür hinter sich.
Petras Vater zündet sich eine Zigarette an und füllt mein Glas.
»Du machst meine Tochter glücklich«, sagt er, hustet in die Hand und zieht an der Zigarette.
»Du bist Türke?«
»Eigentlich kaum.«
»Ich war einmal Pole. Jetzt bin ich Däne und spreche schlecht Dänisch. Nein, sag nicht, dass mein Dänisch gut ist. Ich kann besser Deutsch.«
»Wir können auch Deutsch reden.«
»Dänisch ist jetzt meine Sprache. Ich kann es nicht gut, aber es ist meine Sprache.«
Wir trinken und rauchen. In der ersten halben Stunde suche ich krampfhaft nach einer Entschuldigung oder dem richtigen Zeitpunkt, um aufzustehen und mich zu Petra zu legen.
Aber ihr Vater redet weiter. Zuerst über Jazz. Dann über seine Flucht in den Westen. Sie sei notwendig gewesen, weil er zu viel über Polen geredet habe. Und über die Sowjets. Am Ende hätten sie ihn sattgehabt, er habe nur noch auf Hochzeiten spielen dürfen und in Ferienorten außerhalb der Saison. Er erzählt, wie die Familie alles verkauft und einen Busfahrer bestochen habe, der häufig über die Grenze fuhr. Wenn dieser spätnachts mit einem Bus voll schlafender Rentner aus irgendeinem Kurort kam, sei er oft nur durchgenickt worden.
Petras Vater sollte in einem Kurhotel spielen. Nach dem Konzert wollten sie in den Bus steigen, sich in die hinteren Reihen setzen und die Daumen drücken.
Der Vater spielte, Petra klatschte und sang die Refrains mit, die Mutter wollte die Familie anrufen, sich verabschieden und Brot und Käse für die Tour kaufen.
Petras Vater holt eine neue Flasche Wodka aus dem Gefrierfach. Er füllt die Gläser und erzählt, dass sie zweiundzwanzig Minuten auf Petras Mutter warteten, bis der Busfahrer sie aufforderte, entweder einzusteigen oder es sein zu lassen.
Sie seien ohne sie abgereist. Vielleicht würde sie im Taxi hinterherkommen und vor der Grenze einsteigen oder einen anderen Fluchtweg finden. Es sei der schwierigste Entschluss seines Lebens gewesen. Aber wenn sie die Mutter verhaftet hätten, wäre es keine gute Idee gewesen, in die Wohnung nach Krakau zurückzukehren und zu warten, bis sie auch ihn mitnehmen und seine Tochter zur Waise machen würden.
Petras Vater hat es aufgegeben, alle Wörter ins Dänische zu übersetzen, er redet weiter und streut polnische Wörter ein.
Sie hätten die Mutter nie wiedergesehen.
Viele Jahre später hätten sie herausgefunden, dass sie eine neue Familie mit einem Arzt gegründet hatte. Dass nicht die Mutter die Verlassene war, sondern dass sie die Familie verlassen hat.
Wir haben die zweite Flasche fast ausgetrunken, als ich mich zu Petra lege. Sie schläft fest, ich streiche eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht.
D er Sommer wird zum Spätsommer, und die Stadt wird unruhig.
Überall sitzen Männer mit nackten Oberkörpern, in den Parks liegen halb nackte Mädchen auf Decken. Alle wollen die letzten Sonnenstrahlen tanken.
Ich folge dem Kanal und gehe zur Galerie.
Im Fenster hängt ein Schild: »Vorübergehend geschlossen«, mit dem Eröffnungsdatum der nächsten Ausstellung. Michael sitzt am Tisch und telefoniert. Er lächelt und öffnet die Tür.
Die meisten Bilder sind schon abgehängt. Die wenigen, die noch hängen, sind mit dem Etikett »Verkauft« und der Adresse des Käufers versehen.
Meine beiden Gemälde stehen im hinteren Raum an der Wand.
Nachdem Michael aufgelegt hat, bringt er Wellpappe und eine große Rolle Paketband.
Dann klingelt das Telefon, und er verschwindet wieder.
Es dauert nur wenige Minuten, die Bilder einzupacken. Ich nehme sie unter den Arm und will gerade gehen, als Michael mich ruft und den Hörer beiseitelegt.
»Ich bin doch keine Postfiliale«, sagt er lächelnd und gibt mir einen Brief.
Ich gehe an den Cafés vorbei und suche mir einen Platz am Hafen, wo weniger Menschen sind. Ich setze mich und lasse die Füße über dem Wasser baumeln.
Der Umschlag liegt in meinem Schoß, ich bleibe lange sitzen und starre ihn an. Dann reiße ich ihn auf. Ein handbeschriebenes DIN -A4-Blatt kommt zum
Weitere Kostenlose Bücher