Wie keiner sonst / ebook (German Edition)
Zigarettenmarke, die ich immer kaufe. Sie fragt, ob ich noch etwas möchte.
Ich bleibe etwas zu lange stehen, schüttle den Kopf und lege das Geld auf die Theke.
I ch halte den Bierdeckel mit Kaspers Adresse in der Hand. Es ist früh am Nachmittag. Er wartet vor einem roten Backsteinhaus auf mich. Ich folge ihm um den Block und in einen Hof.
»Mir ist aufgefallen, dass du immer sofort herumkritzelst, wenn wir mal nichts zu tun haben«, sagt er. Wir gehen eine Kellertreppe hinab, er zieht einen Schlüsselbund aus der Tasche.
»In jeder Pause, oder wenn du auf einen Stapel Briefe wartest, nimmst du den Kugelschreiber in die Hand.«
Der Kellergang ist feucht und dunkel. Wir gehen an Türen vorbei, von denen die Farbe blättert. Auf allen steht eine große Nummer. Er bleibt vor einer Tür mit einem dicken Vorhängeschloss stehen und rasselt mit den Schlüsseln.
»Das ist eigentlich nicht mein Keller. Meiner ist ein bisschen kleiner, aber ich habe eine Abmachung mit dem Hausmeister.«
Er öffnet die Tür, und ich sehe stapelweise Pappkartons, vom Boden bis zur Decke. Es sind so viele, dass ich nur schwer einschätzen kann, wie groß der Raum ist.
»Wenn du dich verirrst, ruf wie eine Eule, dann finde ich dich.«
Ich folge ihm durch einen schmalen Gang zwischen Mauern aus brauner Pappe.
»Ein Freund von mir hat in der Paketabteilung gearbeitet. Er hat die Pakete sortiert, die er nicht geklaut hat.«
Mitten im Raum hat Kasper Platz frei geräumt und den Keller mit einem abgewetzten afghanischen Teppich und einem alten Ledersessel eingerichtet.
Er hebt einen Aschenbecher vom Boden auf, leert die Kippen in einen Müllsack und schaltet ein Heizgerät und ein paar schiefe Stehlampen ein.
»Ich wohne nicht hier«, sagt er etwas zu schnell. »Ich bin bloß lieber hier als oben in der Wohnung.«
Er zieht ein Paket aus der Pappwand und steigt durch die Lücke.
»Na ja, bei meinem Freund wurde es zur Krankheit.« Kaspers Stimme verschwindet hinter etlichen Lagen Pappe, als würde er einen neuen Gang anlegen.
»Er musste einfach Pakete klauen. Irgendwann hat er aufgehört, sie zu öffnen. Erst hat er seine eigene Wohnung damit gefüllt, und dann fragte er mich, ob er ein paar Pakete bei mir unterstellen dürfe. Ich habe Ja gesagt, und dann haben sie ihn erwischt.«
Aus der Lücke kommt ein großes, längliches Paket, dann mehrere kleine, bis Kasper selbst herausklettert. Er hat Spinnweben im Haar und leckt einen frischen Schnitt in seiner Hand.
»Los, mach es auf.«
Ich reiße die Pappe auf und finde eine Schachtel voll kleiner Tuben und fünf in Cellophan gepackte Pinsel.
»Das soll die beste Farbe sein, die es gibt. Die allerbeste.«
Ich streiche mit einem der Pinsel über meine Handfläche und spüre die feinen Tierhaare auf der Haut.
Dann sage ich: »Ich male nicht.«
»Klar malst du.«
Kasper reißt das große Paket auf, und eine Staffelei kommt zum Vorschein. Er baut sie auf. Das nächste Paket enthält Leinwand. Er spannt sie mit einem Tacker auf eine Holzplatte und stellt sie auf die Staffelei.
Dann verschwindet er wieder zwischen den Kartons und kommt mit einem Stück Sperrholz zurück.
»Die Palette«, sagt er und setzt sich in den Sessel. »Mal!« Er greift unter den Sessel und zieht eine große Gefriertüte Pot hervor.
Ich umklammere den Pinsel, während er einen Joint dreht.
»Du kannst ja ein wehmütiges Heimatbild aus der andalusischen Hochebene malen.«
»Anatolische.«
»Ja, die da unten in der Türkei, mit Ziegen und Feta.«
»Was hast du eigentlich gegen Türken?«
»Nichts.«
»Nein?«
»Ich glaube bloß nicht, dass du Türke bist. Mal jetzt.«
Ich öffne die erste Tube, durchsteche die Öffnung mit dem Pinselgriff. Zinnoberrot, aus China. Rot wie ein Schlund und sehr giftig.
Ich drücke ein Stück auf das Brett und öffne die nächste Tube.
Elfenbeinschwarz, hergestellt aus verbrannten Tierknochen. So schwarz, dass jeder Strich wie ein Riss in der Leinwand aussieht. Dann etwas Ultramarinblau und einen Klecks Neapelgelb.
Kasper reicht mir den Joint, ich zögere, habe seit drei Jahren nicht gekifft, doch dann fülle ich die Lungen und atme den Rauch langsam wieder aus. Das dünne Papier wird rot von meinen Fingern, ich nehme noch einen Zug.
P etra streicht mit ihren weißen Händen eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Darf es noch etwas sein?«
Meine Zigaretten liegen auf der Theke. Hinter mir bildet sich eine kleine Schlange.
»Hast du Lust auf einen Kaffee?«, frage ich
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