Wie keiner sonst / ebook (German Edition)
meiner Versicherungskarte. Und in meinem Arbeitsvertrag für den Job im Verteilerzentrum. Die meisten nennen mich Mehmet, andere Faruk. Kasper nennt mich einfach nur »Türke«. Er fragt, ob ich den Unterschied zwischen einem überfahrenen Stachelschwein und einem Türken kenne, und lacht.
Ich folge Kasper. Seine Kleider sind verknittert, er ist unrasiert und hat fettiges Haar. Seit meiner ersten Schicht im Verteilerzentrum hat er sich nicht verändert, er sieht aus wie ein Penner. Wir gehen die Eisentreppe hinauf und über den Korridor in die Kaffeestube, die so klein ist, dass nur jeweils eine Abteilung Pause machen kann. Die Luft ist verqualmt, an der Wand stehen zwei Kaffeemaschinen, die die ganze Nacht über laufen.
»Sie muss es ja lernen«, sagt Kasper und nickt in Richtung des neuen Mädchens. Erik hat sie in die Ecke zwischen den Kaffeemaschinen und der Brandtür gedrängt.
Erik trägt eine dicke Brille, er ist klein und dick und gehört zu denen, die am längsten hier sind. Sein Atem riecht nach schmutzigem Teppichboden. Jedes Mal, wenn er über Maschinen redet, macht er dieselben Armbewegungen. Japanische Maschinen, sagt er. Sie werden bald alles hier übernehmen und uns überflüssig machen. Wenn er nicht über Maschinen redet, erzählt er, wie er damals im öffentlichen Dienst gefeuert wurde.
Alle, die hier arbeiten, haben einen Grund dafür. An dem kleinen Tisch an der Wand sitzt Michel, dessen Band einen Schallplattenvertrag in Aussicht hat. Er unterhält sich mit Flemming, der Fernfahrer war, aber immer am Steuer einschlief. An der Kaffeemaschine steht Dorthe, die in einem Käseladen arbeitete, bevor sie eine Milchallergie bekam.
Die Uhr zeigt die volle Stunde, die Pause ist vorbei. Wir haben gerade anderthalb Zigaretten geschafft. Kasper und ich gehen die Eisentreppe hinab und ziehen die weißen Baumwollhandschuhe an, mit denen ich mir immer wie ein Pantomime vorkomme.
Die Stunden vergehen, die Briefe rollen an.
Frühmorgens stehen wir am Ausgang Schlange. Hundertfünfzig Menschen mit hängenden Schultern und roten Augen. Der Wächter sitzt in seinem Glaskäfig, nickt uns zu und drückt auf den Knopf. Das Schloss summt.
Ich trete hinaus in den kalten Februarmorgen und schlage den Kragen hoch.
Der Wind ist noch eisiger, wenn man müde ist, er zieht unter die Jacke und fährt bis in die Knochen.
Ich gehe am Hauptbahnhof vorbei, wo Huren in Hauseingängen stehen, Kaffee aus Pappbechern trinken und sich auf einen langen Arbeitstag vorbereiten.
B eim Aufwachen trage ich noch den Kopfhörer. Die Sonne geht hinter den Dächern unter und schickt rötliches Licht durch das kleine Dachfenster. Das Zimmer, in dem ich zur Untermiete wohne, ist die Rumpelkammer einer alten herrschaftlichen Wohnung, die sich über zwei Etagen erstreckt.
Auf dem Toaster im Flur liegen zwei Scheiben Brot, leicht verbrannt auf einer Seite. Ich bin eingeschlafen, bevor ich sie essen konnte.
Ich ziehe mich an, spritze mir Wasser ins Gesicht und gehe die Treppe hinunter. Auf dem Küchentisch liegt Elsebeths Einkaufszettel, in der Dose neben der Kaffeemaschine ist Geld.
Der Supermarkt ist voller Menschen mit müden Gesichtern und Kindern, die an Mänteln ziehen und nicht im Einkaufswagen sitzen wollen.
Elsebeth würde mich nie bitten, für sie einzukaufen, aber sie ist alt und isst nicht viel. Ihr Wechselgeld kommt in eine separate Jackentasche.
Ich beginne immer mit ihren Waren. Knäckebrot und Kümmelkäse, Buttermilch und Zitronenmarmelade. Dann Schinken und Käse für mich – Essen, das zwischen zwei Scheiben Brot passt.
Egal wie lang die Schlange ist, ich stelle mich immer an Kasse 3 an. Von dort kann ich Petra sehen, die im Kiosk arbeitet. Sie hat die weißesten Hände, die ich je gesehen habe. Ihren Namen kenne ich nur, weil sie ein Namensschild trägt.
Wenn ich alles bezahlt habe, gehe ich zu ihr hinüber und kaufe Zigaretten. An anderen Tagen kaufe ich eine Zeitung oder Süßigkeiten für die Nacht im Verteilerzentrum.
Manchmal kaufe ich sogar einen Tippzettel, obwohl ich nicht weiß, wie man sie ausfüllt.
Sie fragt, ob ich noch einen Wunsch habe.
Ich schüttle den Kopf und ziehe das Geld aus der Tasche.
Als ich in die Wohnung komme, höre ich klassische Musik hinter Elsebeths Tür. Zuerst verstaue ich ihre Lebensmittel, dann nehme ich meine mit die Treppe hinauf und stelle sie aufs Fensterbrett, um sie kühl zu halten.
Ich ziehe das Radio unter dem Bett hervor und lege es auf den Bauch, ein kleiner
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