Wie Kinder heute lernen
entgegenrennt oder jahrelange mühevolle Kleinarbeit auf sich nimmt, weil er glaubt, eine wichtige Erfindung zu machen, von dem eines Unmotivierten unterscheidet, dem jede Anstrengung zu viel ist, der keine Lust verspürt, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, das vermögen Hirnforscher erst in Ansätzen zu sagen.
Zunächst gilt es zwischen zwei Formen der Verhaltensbereitschaft zu differenzieren: der extrinsischen (von außen kommenden) und der intrinsischen (von innen generierten) Motivation. Bei extrinsischer Motivation spielen die Konsequenzen einer Handlung die entscheidende Rolle. Dabei handelt es sich um Anreize von außen, die vor allem von Eltern, aber ebenso von Erziehern, Lehrern, Arbeitgebern usw. als Belohnung - oder auch Bestrafung - gesetzt werden. Sowohl Tierexperimente als auch Untersuchungen an Testpersonen haben gezeigt, dass eine Belohnung wesentlich wirksamer ist als eine Bestrafung. Aber wie ist dann das Ergebnis der Motivationsstudie an den Vorschulkindern zu erklären? Wie kommt es, dass eine Belohnung die Motivation, etwas Bestimmtes zu tun, bremst? Entscheidend sind hier die intrinsischen Faktoren der Motivation. Mit diesem Begriff wird der Umstand beschrieben, dass man sich aus einem inneren Antrieb heraus einer Tätigkeit widmet und nicht, weil von anderen Personen gesetzte Anreize einen dazu antreiben. Man tut etwas um seiner selbst willen. Diese Eigenmotivation ist eine der stärksten Kräfte im Menschen. Sie treibt uns auf den Mount Everest, ins ewige Eis und in die tiefsten Meeresgräben. Äußere Reize sind nicht annähernd so wirksam wie innere Motivatoren. Nicht um des Geldes, der Ehre und des Ruhmes willen leisten Menschen (Erwachsene wie Kinder) oft nahezu Unglaubliches, sie tun es vor allem, weil sie es wollen. Nur mit dieser Erkenntnis wird es Eltern gelingen, ihr Kind gezielt zu motivieren und eine gute Balance zwischen innerer und äußerer Motivation zu erreichen.
Hirnphysiologisch lässt sich das verblüffende Ergebnis der Malstudie an Vorschulkindern so erklären: Wer bereits hoch motiviert ist, hat ein viel höheres Aktivierungspotenzial in seinen Nervennetzen, als man es je über extrinsische Faktoren erzeugen könnte. Das heißt: Ein Kind hat Lust zu malen. Durch äußere Anreize jedoch - nämlich das In-Aussicht-Stellen einer Belohnung - wird die ursprüngliche Eigenmotivation quasi überschrieben.
Das Gehirn speichert die Information, dass eine Belohnung erfolgt, wenn man etwas Bestimmtes tut. Damit werden Spaß, Wohlgefühl und mögliche innere Zufriedenheit als intrinsische Motivatoren verdrängt und das Streben auf die äußere Belohnung - etwa Geld, Süßigkeiten oder kleine Geschenke - gelenkt. Dies kann dazu führen, dass Kinder bestimmte Handlungen oder Leistungen vollbringen wollen, aber nicht etwa, weil sie ihnen Spaß machen oder soziale Akzeptanz verschaffen, sondern weil sie eine Belohnung dafür erhalten (oder eine Bestrafung vermeiden). Doch solche äußeren Anreize nutzen sich schnell ab, es entstehen Gewöhnungseffekte, die andererseits oft hilfreich sind, um Motivationslöcher zu stopfen, wenn die Eigenmotivation für eine Disziplin sehr niedrig ist.
Wer nicht an die Kraft der inneren Motivation glaubt, wird vor allem von Kleinkindern schnell eines Besseren belehrt. Sie beweisen, dass Lernmotivation im wahrsten Sinne des Wortes kinderleicht ist: Von Anfang an erforschen Neugeborene die Welt, üben sich als Kleinkinder unermüdlich im Laufen, Sprechen oder im endlosen Fragenstellen - und haben ganz offensichtlich Spaß daran, ohne dass man sie dafür übermäßig belohnen müsste. Babys sind also die wahren Meister des Lernens und werden es auch bleiben, »weil wir noch keine Chance hatten, es ihnen abzugewöhnen«, wie der Ulmer Lernexperte Manfred Spitzer feststellt.
Positive Konsequenzen
Dennoch kann das oben Gesagte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Motivations- und Konzentrationsprobleme ein elementares, wenn nicht gar das größte Schulproblem sind. Jeder von uns hat Schüler vor Augen, die lustlos und scheinbar gelangweilt von den Vorgängen am Lehrerpult oder an der Tafel auf ihren Stühlen herumlümmeln. Sie sind mit ihren Gedanken beim »High School Musical« oder Brad Pitt, dem Judowettkampf am Nachmittag, dem leckeren Mittagessen oder dem Streit mit den Freunden. Wie
können da Differenzialgleichungen oder der Gallische Krieg von Interesse sein? Die Frage ist zutiefst berechtigt. Jedes Gehirn wird in jeder Sekunde mit einer großen Menge
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