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Wie Kinder heute lernen

Titel: Wie Kinder heute lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Korte
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Erfahrung seine Wahrnehmungskategorie für diesen Laut auf Kosten benachbarter Laute mit ähnlichen physikalischen Eigenschaften. Die Ausschaltung aller zusätzlichen Kategorien hilft dem Baby, jeden sprachlichen Laut, den es regelmäßig hört, schneller zu identifizieren - glücklicherweise unabhängig davon, wie unsauber oder sauber er ausgesprochen wird. Phonemwahrnehmung kann man als ein weiteres Beispiel der neuronalen Grundregel begreifen: Was nicht gebraucht wird, wird beseitigt - in diesem Fall die Wahrnehmung anderer Laute als die der Muttersprache.
    Ein wichtiger Schritt beim Spracherwerb ist das Lallen. Die Aneignung der Phoneme geschieht sowohl über das Hören als auch über eigenes Üben, was in der Lallphase einem gymnastischen Training gleichkommt. Meist starten Babys im zweiten Monat mit »Oooohs« und »Aaaaahs«, ab dem fünften Monat kommen die Laute b, d, m, n, w und j dazu, bis zum zehnten Monate wiederholen Babys Konsonanten und Vokale (a, i, e, o, u) zu längeren Sequenzen wie »babababa« oder »mama«. Bis zum zwölften Monat beherrschen Babys die meisten Vokale und
die Hälfte aller Konsonanten. Die Entwicklung des Lallens wird begleitet von der Reifung des Stimmapparates, die richtige Form von Kehle, Mund und Zunge muss sich erst noch ausbilden. Das Lallen kann durch eine Reaktion der Eltern auf die Lautäußerungen des Kindes verstärkt werden. Man sollte es also keineswegs ignorieren, denn Babys versuchen ihre Übungen an das anzupassen, was sie hören. Bereits ein 15-minütiges Training, bei dem man langsam und deutlich mit dem Kind spricht, genügt, um die Aussprache der Vokale zu verändern.

Herkulesaufgabe Spracherwerb
    Kinder müssen lernen, Gegenstände der äußeren Welt mit ganzen Worten zu bezeichnen. Und auch hierfür bringen sie schon ein gehöriges Maß an Wissen mit auf die Welt. Ein Kindergehirn scheint ohne Vorerfahrung davon auszugehen, dass sich Wörter auf ganze Objekte beziehen, dass sie Gattungen bezeichnen und nicht einzelne Angehörige einer Gattung und dass Objekte immer nur einen Namen haben. Schon an ihrem ersten Geburtstag verstehen die meisten Kinder bis zu 70 Wörter, sprechen können sie indes höchstens sechs. Gerade in diesem Alter sind die Entwicklungsdifferenzen zwischen einzelnen Kindern manchmal riesengroß: Manche Kinder können mit 20 Monaten erst drei Wörter sagen, andere bereits 500. Der Durchschnitt liegt bei 170, wie Linguisten in verschiedenen Ländern beobachtet haben. Zwischen dem zweiten und achten Lebensjahr lernen die Kinder jeden Tag acht neue Wörter - das entspricht einem Wort alle zwei Stunden, die ein Kind wach ist! Mit sechs Jahren versteht ein Kind bereits bis zu 13 000 Wörter. Wie jeder erwachsene Mensch auch benutzt es aktiv aber viel weniger, als es versteht.
    Auf die Lernexplosion einzelner Wörter folgt ein rasantes Grammatik-Lernprogramm. Das grammatikalische Verständnis eines Kindes entwickelt sich bis zum vierten Lebensjahr so weit, dass die grundlegenden Regeln des Satzbaues beherrscht
werden. Die Schwierigkeit der Grammatik besteht darin, dass die Bedeutung einer Aussage entweder durch die Wortstellung oder die Veränderung der Flexionsformen entsteht. Letzteres geschieht durch das Hinzufügen von Suffixen oder Präfixen (je nach Sprache) oder indem ein Wort gebeugt wird (deklinieren oder konjugieren).
    Bereits 19 Monate alte Kinder können eine durch die Wortfolge ausgedrückte Bedeutung erkennen. Zum Beispiel: »Bibo kitzelt das Krümelmonster« versus »Das Krümelmonster kitzelt Bibo«. Die ersten Sätze, die ein Kind spricht, sind in der Wortfolge korrekt, aber es fehlen Beugungsformen und Funktionswörter wie Artikel, Hilfswörter und Präpositionen. Entsprechend bezeichnet man dies als Telegrammstil. Bei ihren ersten Sprachschritten verwenden Kinder Sätze wie »Mama Hause kommen« oder »Lea Zähne putzen«. Sehr bald entsteht aber auch die Endung der dritten Person Singular »Baby weint«. Tatsächlich erkennen Kinder von Anbeginn des Spracherwerbs an Regeln und plappern nicht einfach drauflos. Die Irrtümer, die ihnen zweifellos unterlaufen, sind oft Übergeneralisierungen, die insbesondere bei den vielen unregelmäßigen Verben im Deutschen zuweilen haarsträubend klingen, wie gangte, gingte oder singte. Sie sind darauf zurückzuführen, dass Kinder konsequent und intuitiv alles generalisieren, was sie an Regeln herausfiltern können. Dabei entstehen bei den unregelmäßigen Verben noch über einige

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