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Wie Kinder heute lernen

Titel: Wie Kinder heute lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Korte
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auf die Zweisprachigkeit ihrer Kinder programmiert. Fest steht: Wer eine zweite Sprache nicht spätestens zwischen dem achten und zehnten Lebensjahr erlernt, erwirbt in dieser nur selten die volle Sprachkompetenz auf dem Niveau der Muttersprache. Aus diesem Grund starten Schulen in einigen Bundesländern bereits in der ersten oder dritten Klasse mit dem Fremdsprachenunterricht.
    Hirnstudien mit bildgebenden Verfahren haben gezeigt, dass eine Fremdsprache, die ein Mensch erst im Laufe der Pubertät oder später erlernt, vor allem in der rechten Hemisphäre verarbeitet wird (immer bezogen auf Rechtshänder). Im Unterschied dazu werden bei zweisprachig aufgewachsenen Kindern beide Sprachen in der linken Hemisphäre prozessiert. Dies bedeutet, dass die akzentfreie Aussprache vor allem im Broca-Areal vorbereitet wird. Dieses Areal nimmt für beide Sprachen schon während des Hörens von Sätzen eine schnelle Voranalyse vor und beschleunigt dadurch die Sprachverarbeitung (siehe Abb. 12 , Seite 162). Im Wernicke-Areal, wo unser Wortschatz mit allen Wortbedeutungen seinen Sitz hat, liegen bei Bilingualen beide Lexika eng nebeneinander. Sowohl im Broca- als auch im Wernicke-Areal ist die Sprachverarbeitung und Sprachproduktion bei zweisprachig aufgewachsenen Kindern beschleunigt. Diese Kinder können also auf die von der Natur vorgesehenen Gehirngebiete zurückgreifen und damit effizienter mit Sprache umgehen. Wer eine zweite Sprache erst nach der kritischen Phase für den Spracherwerb lernt, muss auf andere Hirnareale zurückgreifen, die nicht mit gleicher Präzision und Geschwindigkeit Sprache verarbeiten. Zwar ist das Erlernen von Fremdsprachen noch möglich, sie funktioniert dann aber vor allem über Areale
im Gehirn, die Gedächtnisinhalte speichern und verarbeiten. Dies bringt eine Verlangsamung der Sprachprozesse mit sich im Gegensatz zu den Automatismen der Sprachareale.
    Bei Kindern, die in der sensiblen Phase nicht einer zweiten Sprache ausgesetzt waren, kommt erschwerend hinzu, dass sie die Fähigkeit verlieren, die Laute (Phoneme) einer fremden Sprache richtig zu hören. Die meisten Aussprachefehler in einer Fremdsprache lassen sich also darauf zurückführen, dass einige Laute gar nicht mehr richtig gehört werden können. Babys werden zwar als Weltbürger geboren und sind imstande, jeden menschlichen Sprachlaut zu hören und deshalb auch zu erlernen. Aber diese Veranlagung verliert sich sehr schnell und ist schon nach wenigen Lebensjahren nicht mehr trainierbar.
    Damit ist die Sachlage eindeutig: Kinder sollten, wenn irgendwie möglich, schon vor dem zehnten Lebensjahr in Kontakt mit Fremdsprachen kommen. Natürlich kann man das Gehirn auch nach der Pubertät noch mit einer Fremdsprache vertraut macht - aber mit Einschränkungen: Aussprache und Grammatik bereiten hierbei die meisten Schwierigkeiten. Aber selbst unter diesen Umständen lernen viele, sich verständlich in einer zweiten und oft sogar in einer dritten Sprache auszudrücken. Und wenn sich Schüler erst in einer weiterführenden Schule nach dem zehnten Lebensjahr eine neue Sprache bewusst erarbeiten, so hat dies auch Vorteile. Fremdsprachenerwerb ist also nicht eine Frage des Alles-oder-Nichts.
Asymmetrien zwischen den Großhirnhemisphären
    Zwischen den Großhirnhälften (Hemisphären) gibt es kleine, aber wichtige Asymmetrien, die man Lateralität nennt. Bestimmte Verarbeitungsaspekte sind also nicht gleichmäßig über die beiden Großhirnhemisphären verteilt. Im Unterschied dazu sind die meisten Funktionen wie das Abschätzen von Entfernungen bilateral angelegt.

    Verschiedene Versuche kamen zu dem Ergebnis, dass bei Rechtshändern die Sprachverarbeitung vor allem in der linken Hirnhemisphäre erfolgt, während die rechte Hemisphäre zuständig ist für Musikalität, das Erkennen komplexer Muster, für Teil-zum-Ganzen-Beziehungen, räumliche Orientierung und das Wahrnehmen von Emotionen und deren Äußerung (Gesichtererkennung). Die linke Hirnhälfte ist somit für die Sprachbegabung zuständig, sie kategorisiert die Welt, führt mathematische Kalkulationen durch, plant komplexe motorische Aufgaben und ist analytisch ( Abb. 13 ).
    Beide Hemisphären kommunizieren aber ständig miteinander, sodass man die Funktionsaufteilung zwischen beiden nicht allzu statisch betrachten sollte. Die Hemisphären arbeiten zusammen, und die meisten Funktionen werden auch in der anderen Hirnhälfte ausgeführt. So ist es unsinnig, davon zu sprechen, es gäbe eine

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