Wie Kinder heute lernen
»weibliche« rechte und eine »männliche« linke Hirnhälfte. Selbst die so stark lateralisierte Fähigkeit der Sprache wird nicht ausschließlich linksseitig verarbeitet. So nehmen z. B. Patienten mit einer rechtsseitigen Hirnschädigung alles wörtlicher und können nicht mehr alle Konnotationen eines Wortes verstehen. Der Effekt auf die Sprache ist viel subtiler als der auf der linken Hirnseite, dennoch ist er vorhanden.
Funktionen, die nicht gleich über beide Hemisphären verteilt sind (für Rechtshänder):
Linke Hemisphäre
Rechte Hemisphäre
analytische Aufgaben
Wahrnehmung und Zuordnung komplexer Muster
Kategorisieren
Teil-zum-Ganzen-Beziehungen
Kalkulationen
räumliche Orientierung
logische Organisation
Musikalität
Sprache
emotionale Expression
komplexe Motoraufgaben
Erkennung von Emotionen
Abbildung 13 : Funktionen der Großhirnhälften
Grobschematische Aufteilung der Funktionen der linken und rechten Großhirnhemisphäre
Zweisprachigkeit: Zwei Fliegen mit einer Klappe?
Der Erwerb einer zweiten Sprache ist sicher wünschenswert, aber alles andere als einfach. In den meisten Fällen muss zusätzlicher Lernaufwand von Seiten der Eltern und der Schule aufgebracht werden. Kinder lernen zwei Sprachen nur dann wie selbstverständlich, wenn beide Eltern verschiedene Sprachen sprechen, sagen wir Französisch und Deutsch, jeder Elternteil aber strikt bei »seiner« Sprache bleibt. Oder wenn sie in einem Land aufwachsen, in dem eine andere Sprache gesprochen wird als die Elternsprache. Das Zuhause ist dann z. B. mit Deutsch besetzt, in der Schule und mit Freunden dagegen wird Französisch geredet. Aber hier muss nicht zwangsläufig alles problemlos verlaufen: In
vielen Fällen entscheiden sich die Kinder nach wenigen Jahren für eine Sprache - in den allermeisten Fällen für die Sprache des Landes, in dem sie leben, und damit gegen die Sprache der Eltern. Viele Studien belegen, dass Zweisprachigkeit nichts Statisches ist. Zwar erwerben Kinder eine hohe Grundkompetenz in beiden Sprachen, die sie erlernt haben, sprechen werden sie aber oft nur eine.
Es gilt also, zwei Situationen voneinander zu unterscheiden: Entweder ergibt sich Zweisprachigkeit natürlicherweise durch die Umstände, oder die Kinder lernen unter »künstlichen« Bedingungen die zweite Sprache. Bei Ersterem wird oft behauptet, dass Zweisprachigkeit dem Kind schade, es zu Sprachkonfusion und zu einer nur halb entwickelten Sprachkompetenz in beiden Sprachen komme: Dies hat sich jedoch nicht bestätigt. Wer mit Eltern aufwächst, die zwei verschiedene Sprachen sprechen, nimmt weder geistigen Schaden, noch erwirbt er die Sprachen nicht richtig. Im Gegenteil, es hat sich gezeigt, dass sowohl Sprachkompetenz als auch Sprachverständnis in beiden Sprachen über dem Durchschnitt liegen und Zweisprachigkeit auch für die generelle Intelligenz förderlich ist. Hinzu kommt, dass solche Kinder in zwei Kulturräumen zu Hause sind. Aber auch in diesem optimalen Fall gilt es, den Spracherwerb der Kinder genau zu beobachten und zu begleiten. Meistens verläuft der bilinguale Spracherwerb in drei Phasen:
1. In der ersten Phase ist der Wortschatz der Kinder nicht nach Sprachen getrennt. Für die Dinge ihrer Welt lernen sie jeweils nur ein Wort. Benutzt werden alle Wörter, als entstammten sie nur einer Sprache. Fast immer beginnt Zweisprachigkeit mit einem Sprachgemisch, und es gibt keinen Grund, darüber besorgt zu sein. Wichtig ist hier, dass die Eltern bei ihrer Zweisprachigkeit bleiben bzw. dass deutsche Eltern im Ausland Deutsch beibehalten. Die Kinder werden die Sprachen bald voneinander trennen können. In dieser Phase stellt sich auch die Frage der Grammatik noch nicht, da die Kinder nur Ein- und Zweiwortsätze erzeugen.
2. In Phase zwei, in der die ersten kurzen Sätze auftauchen, wird den Kindern bewusst, dass ihre Eltern verschiedene Sprachen sprechen und dass das nun auch von ihnen erwartet wird. Interessanterweise färbt die Aussprache von der einen Sprache fast nie auf die andere Sprache ab. Im Unterschied dazu gibt es in dieser Phase noch Mischformen in der Wortbildung, Wortstellung und im Satzbau. Die in der einen Sprache erworbenen Bedeutungen werden hier und da in der anderen Sprache mit benutzt. Auch hier heißt es Geduld bewahren, denn das Kind wird in den allermeisten Fällen keine Hybridsprache sprechen.
3. In der dritten Phase trennen sich die beiden Sprachen fast immer vollständig. Am Ende der Ein- und Zweiwortphase, also etwa mit
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