Wie Kinder heute lernen
durchschnittlich bessere Leistungsfähigkeit von Jungen in diesen rechtshemisphärischen Gehirnfähigkeiten mit ihrer größeren rechten Hirnhemisphäre zusammenhängt. Auch von Computern weiß man, dass grafisch orientierte Programme wesentlich mehr Rechenkapazität erfordern als textverarbeitende Programme. Und die besseren Leistungen von Männern bei Fang- und Wurfbewegungen lassen sich ebenfalls über die unterschiedliche Gehirnorganisation der Geschlechter erklären. Bei Tätigkeiten wie diesen muss das Gehirn Informationen über den Ort des Ziels mit Richtung und Geschwindigkeit der Bewegung von Händen, Armen und dem gesamten Körper berechnen und koordinieren. Je schneller ein Objekt fliegt, desto schneller muss die räumliche Analyse erfolgen, und es könnte sein, dass die größere rechte Hirnhälfte bei Männern hier von entscheidendem Vorteil ist.
Auf der anderen Seite ist umstritten, ob die Größenunterschiede zwischen weiblichen und männlichem Gehirn wirklich so bedeutsam sind. Denn die Differenz von etwa 100 Gramm zwischen dem Gehirngewicht eines Mannes und dem einer Frau entspricht ziemlich genau dem Unterschied, den Forscher feststellen, wenn sie die Gehirne einer Gruppe großer Männer (1,90 m) mit der kleinerer Männer (1,60 m) vergleichen; und hier gibt es keine Hinweise auf Unterschiede in der visuell-räumlichen Verarbeitung. Dennoch werfen kleinere Männer mit einem kleineren Gehirn im statistischen Mittel besser als große Frauen; und auch für das räumliche Vorstellungsvermögen gilt: kleine Männer sind besser als große Frauen. An der Stelle scheint der Testosteronspiegel entscheidend zu sein. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass ein Mehr an Testosteron zwar bei Frauen zu besserem räumlichen Vorstellungsvermögen führt, für Männer umgekehrt aber gilt: Selbst Männer mit niedrigen Testosteronspiegeln (der immer noch um ein Vielfaches höher ist als der einer Frau) schneiden bei allen Aufgaben zu mathematischen Fertigkeiten und zum räumlichen Vorstellungsvermögen grundsätzlich besser ab als Frauen.
Männliche Gehirne sind also größer und von der Organisation her besser darauf vorbereitet, räumliche Informationen zu verarbeiten, während weibliche Gehirne in der Sprachverarbeitung und der motorischen Feinkoordinierung gewisse Vorteile haben. Dies sagt in der Tat etwas darüber aus, wie verschiedene Formen von Intelligenz durch unterschiedlich organisierte Gehirne zustande kommen. Über die Ursachen dieser Unterschiede verrät die Hirnstruktur, die im Wechselspiel von Genen und Umwelterfahrungen entsteht und prinzipiell plastisch (d. h. formbar und durch Umwelteinflüsse veränderbar) ist, jedoch nichts. Auch Umwelterfahrungen können sich in der Struktur des Gehirns widerspiegeln, wie die Nervenfasern des Balkens zeigen, der sich als besonders plastisch erwiesen hat. Vor allem motorische Tätigkeiten, die die Koordination zwischen den Hemisphären
erfordern, bewirken eine Veränderung in der Anzahl an Verbindungen (Axonen) zwischen den Hemisphären. Die unterschiedliche Balkengröße bei den Geschlechtern bedeutet deshalb nicht automatisch, dass das Erbgut oder der direkte Einfluss von Hormonen dafür verantwortlich ist. Sie kann genauso von unterschiedlichen Verhaltensweisen und individuell unterschiedlichen Erfahrungen herrühren. So wird das Spielverhalten in der Tat von Geschlechtshormonen beeinflusst; während es bei Mädchen aber das Wachstum des Balkens fördert, wirkt es sich bei Jungen, die eine andere Art zu spielen haben, eher auf die Entwicklung der rechten Hemisphäre aus.
Was Eltern glauben und hoffen
Muss man aus all dem schließen, dass die Interessen und Neigungen der Kinder eine Sache der Gene, der Hormone und der Umwelteinflüsse sind? Müssen Eltern von Jungen damit rechnen, dass ihre Sprösslinge nur schwer Sprachen lernen, Gefühle weder zeigen noch bei anderen gut erkennen können? Sind Mädchen ganz klassisch in Mathematik und naturwissenschaftlichen Fächern keine Leuchten, dafür aber sprachlich umso sicherer? Diese Aussagen überstrapazieren die Daten genauso wie viele populärwissenschaftliche Bücher zu dem Thema. Alle in diesem Kapitel beschriebenen geistigen und motorischen Fähigkeiten werden mit isolierten Testbatterien gemessen. Damit unterscheiden sie sich doch erheblich von Alltagssituationen, für die wir immer eine ganze Palette an Fähigkeiten benötigen. Beim Einparken, einem ganz klassischen Beispiel, werden eben nicht nur
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