Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie kommt das Salz ins Meer

Wie kommt das Salz ins Meer

Titel: Wie kommt das Salz ins Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Schwaiger
Vom Netzwerk:
auseinandergeschoben, die Sonne ist gekommen, um zu sehen, wie du heraufläufst, und eine Krähe hat zu singen begonnen, ja, du, die Krähe mußte einfach singen, als sie dich sah.
    Mehr, noch viel mehr müßte geschehen, und wir sagen nichts, weil wir Angst haben vor der Lüge oder vor der Wahrheit. Wir lieben uns, ohne uns zu lieben, suchen uns, ohne zu suchen, mit Brotkrumen begnügen wir uns, und frierst du? Ja, ich friere. Ach, mein Armes, reibt er meine Hände, ich hab dich lieb, lieb, ach du, ach du, mein Mund ist trocken, laß mich trinken aus deinem Mund, komm, und auf dem Heimweg wird die Luft so dunkel.
     
    Albert hat mich nach meinem Sternzeichen gefragt, und in dem Buch, das ich über den Stier gekauft habe, um Albert zu erforschen, wird behauptet, der ausgeprägte Stier-Typ sei leicht an der Gangart zu erkennen. Er vermittle den Eindruck, als habe er sehr viel Zeit und kenne keine Eile. Er stehe fest auf der Erde und gehorche mehr als jeder andere dem Gesetz der Schwerkraft. Der Stier steht laut Buch physiologisch in Verbindung mit dem Sternzeichen Skorpion, das die Geschlechts- und Ausscheidungsorgane beherrsche. Über die Widder-Frau steht geschrieben, daß sie Leidenschaftsausbrüche kenne und auf der Stelle befriedigen möchte. Untreue sei das Damoklesschwert, das über ihrer Ehe schwebe. Es brauche wenig, schon werde das Heim im Stich gelassen, die Ehe zerbrochen, die Scheidung vollzogen. Natürliche Güte mache den Stier im Extremfall zum Pantoffelhelden. Ist Albert ein extremer Fall? Sooft er von Holde spricht, sagt er: Meine Holde. Und im Buch steht, der Stier nennt seine Frau unerschütterlich seine bessere Hälfte. Ich habe Albert die beiden Bücher geschenkt, aber er hat gesagt, was würde denn die Holde denken, wenn er mit Büchern nach Hause käme, plötzlich, wo sie doch will, daß er Simone de Beauvoir und Alice Schwarzer liest, und er blättert die Bücher nur durch, weil er abends zu müde ist für alles, auch fürs Lesen.
     
    Eine kleine Aufmerksamkeit, sagt Hildes allein lebende Nachbarin und stellt einen Glasteller in Hildes Küche, mit Königskuchen oder Apfelschnitten, wenn sie gebacken hat für den Sonntag, und immer sind diese kleinen Aufmerksamkeiten mit Staubzucker bestreut. Wenn die Nachbarin fort ist, läßt Hilde den Teller irgendwo stehen. Die Nachbarin ist schmuddelig, und keiner will ihre Königskuchen, und so vertrocknen die kleinen Aufmerksamkeiten und zerfallen und landen in der Plastiktüte des Abfalleimers, und wenn am Montag die Nachbarin kommt, um den Teller zu holen, fragt sie, wie es geschmeckt hat, und Hilde bedankt sich, die Nachbarin geht und freut sich, und bald kommt sie wieder, mit Nußkipferln und Vanillegebäck, mit Staubzucker bestreut, und im Laufe der Jahre häufen sich solche Aufmerksamkeiten wie Staub zu Staub, weil Hilde der Nachbarin doch nicht sagen kann, daß es jedem vor ihr graust.
    Was weiß ich noch von Hilde? Daß sie Albert mehrere Male rufen muß, bis er zum Essen kommt. Daß sie sich wundert, warum ihm plötzlich ihr mexikanischer Rostbraten nicht mehr schmeckt. Er hat doch früher so gerne ihr Scharfes gegessen. Daß er doch gerade jetzt ihr Scharfes brauchen könnte, neckt sie ihn, und weil er wortlos zu essen beginnt, glaubt sie nun wirklich, daß er sie betrügt, und ob es wahr ist, was sie vermutet, will sie von ihm hören. Ob er denn glaubt, sie merke nichts? Er scheint das nicht zu hören, und noch einmal: He, du, hältst du mich für blöd? Und dann sagt sie ihm, was nur Leute sich sagen, die miteinander verheiratet sind. Daß sie alles der Kinder wegen erträgt. Albert erträgt es auch, der Kinder wegen. Die Kinder werden es eines Tages ihrer eigenen Kinder wegen ertragen und vielleicht mit denselben Worten hin und wieder kleine Pfeile abschießen, die nichts zerstören sollen, nur verletzen.
     
     
    Gelächter und Gläserklirren im gutbürgerlichen Gastzimmer. Karl hatte hier einmal Lokalverbot, weil er aufstand und zum Stammtisch hinüberschrie: Nazischweine. Wo es doch übertrieben ist. Nicht alle waren Nationalsozialisten, und die vom Stammtisch, die haben an ihre Sache geglaubt, bei uns gibt es keine Schweine. Holzvertäfelte Wände, wie in Großvaters Kaffeehaus, als um den Billardtisch herum plötzlich so viele grelle Lichter standen, setz dich ans Klavier, ich kann doch nicht Klavier spielen, das macht nichts, setz dich und leg die Fingerchen auf die weißen Tasten, rechteckig gemusterte Tischtücher, der Besitzer des

Weitere Kostenlose Bücher