Wie kommt das Salz ins Meer
versteht.
Man muß sich nur einbilden, daß es nicht Rolfs Taschentücher sind, sondern Alberts, daß man das Sofa abbürstet, damit Albert sich nicht durch Hundehaare gestört fühlt, und ich spanne das Leintuch über das eheliche Bett, als ob es unsere Insel wäre, den Pyjama falte ich, als ob ich Hilde wäre. Vielleicht faltet Albert seinen Pyjama selbst? Schläft er rechts oder links? Hilde verwendet Oil of Olaz. Sie hat kleinere Ohren als ich und zartere Gelenke. Rolf findet, daß ich in letzter Zeit gut rieche und gepflegter aussehe. Es entgeht ihm nicht, daß er mit der Zeit noch eine richtige Frau aus mir machen wird.
Du bist vernünftig geworden, sagt Vater, man kann jetzt mit dir reden. Früher warst du wie aufgewirbelter Sand in stürmischem Wasser. Jetzt ist das Wasser klar. Der Sand setzt sich ab. Vater schenkt uns Cognac ein und bietet mir eine seiner schwarzen Zigaretten an, weil das jetzt eine Erwachsene ist, die ihm gegenübersitzt. Und er sagt noch viel, auch hört er sich dabei aufmerksam zu. Mit deinem Vater kann man ja nicht reden, sagt Mutter, aber ihr seid die neue Generation, und wenn ich dich so ansehe, sagt sie. Ja, was denkst du? Sie sagt, daß sie denkt, was sie damals wohl gedacht hätte, als sie schwanger war, wenn sie mich da sehen hätte können, wie ich jetzt so vor ihr sitze. Heimlich sammelt sie aber Unglück, schneidet es aus Zeitungen heraus und klebt verkohlte Kinderleichen, ertrunkene Pferde, mißhandelte Katzen in einen Kalender mit Sprüchen für jeden neuen Monat, auch getrocknete Wiesenblumen, Taubenfedern, handgemalte und fußgemalte Landschaften, und in ihrem Nachtkästchen klemmen Tagore, Rilke, Hesse und Trak l , und Schleifen und Geschenkpapier, Briefe, die sie alle aufbewahrt, während Vater jeden Brief, der gelesen und beantwortet ist, zerreißt, und in seinem Nachtkästchen liegt in der Lade eine Ledertasche mit Valuten, und im unteren Fach stehen seine Hausschuhe.
Dein Vater ist ein Materialist!
Deine Mutter lebt im Wolkenkuckucksheim!
Dein Mann ist ein Charakter, sagt Großmutter.
Auf einen Kretin wie Karl ist Rolf natürlich nicht eifersüchtig, wofür ich ihn eigentlich halte, aber ich soll bitte Rücksicht nehmen, Karl nicht Dinge erzählen, die nur uns beide etwas angehen, er hofft, daß ich genug Taktgefühl habe, um die Grenze von der Offenheit zur Schamlosigkeit nicht zu übertreten, und wo der Knopf ist, der fehlt seit Wochen! Das kommt davon, weil du immer mit dem verdammten Hundsvieh herumschmust, deinen eigenen Mann brauchst du wohl nur als Bettwärmer! Er wartet die Antwort nicht ab. Geht, ohne die Tür zuzuschlagen. Wenn er doch einmal eine Tür zuknallte! Aber er beherrscht sich, das hat er wahrscheinlich von seiner Mama gelernt und beim Militär, er hat sich in der Hand, und solche Menschen wie Rolf geben den Tritt in den Arsch mit einem versöhnlichen Lächeln. So legt man Geschäftspartner herein und befördert lästige Vertreter zur Tür hinaus. Unauffällig, aber effektiv serviert man die Leute ab. Abservieren. Hat er selbst gesagt über sich und den Chef, besonders sein Chef imponiert ihn, den sollte ich einmal sehen, hat er vor dem Einschlafen, als es wieder nichts gewesen war, in die Dunkelheit gesagt, der läßt die Köpfe rollen mit einem Federstrich! Er geht weg und denkt weiter für mich, meint es sogar gut, denkt nur um Haaresbreite immer vorbei an mir, und er weiß nicht, wo sein Gutes zu faulen beginnt. Er hat keine Augen im Hinterkopf, schaut immer nach vorn, und marsch.
Ich frage meine Mutter, ob es vorkommt, daß ein Mensch, von dem man ein bestimmtes Bild hatte, sich plötzlich ändert, oder ob das Bild falsch war, oder ob man sich selbst ändert. Ich ändere mich nicht, sagt sie, dein Vater hat sich ein bißchen geändert. Ich glaube, die Männer ändern sich. Nur die Männer? Ja, sagt sie, und da fällt ihr etwas ein, was weh getan hat. Nicht Vater, sondern einer, den sie im Krieg gepflegt hat, als sie noch Krankenschwester war im Lazarett, die schwersten Fälle übernahm sie freiwillig, davon hat sie auch die Hühneraugen, weil man ihr zu kleine Schuhe gab, und größere waren nicht vorrätig im Krieg, da blieb sie viele Nächte auf mit den engen Schuhen, und sie holte die Sterbenden aus den Sterbekammern, und einer war darunter, der schrieb ihr dann so idealistische Briefe. Aber als seine Verwundung geheilt war, schickte er Weihnachtsgrüße mit Jahresberichten über Turbulenz und einschneidende
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