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Wie kommt das Salz ins Meer

Wie kommt das Salz ins Meer

Titel: Wie kommt das Salz ins Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Schwaiger
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Gasthofs bedient uns persönlich, das ist eine Ehre. Er drückt den Korken ein Stück hinein, bevor er ihn herauszieht. Er hat das Hunderte, Tausende Male gemacht, und er macht es immer besser. Ein Lied wird gesungen, Hilde muß hinaus, sie sagt nicht, wohin, sie sagt: Ich muß einmal wohin. Ich rücke näher zu Albert, lasse meine Hand unter den Tisch rutschen, seine Hand rutscht nach, unsere Finger mit den Ringen verklammern sich, wir umarmen uns mit den Händen, pressen uns die Luft weg mit den Handflächen, quetschen unsere verkrüppelte Liebe platt, und Hilde kommt zurück, wir rücken auseinander, Hilde stellt ihre Tasche auf den Tisch, zwängt sich zwischen uns, ich wieder mit Rolf, sie mit Albert, wir dürfen, müssen, wollen so sitzen, im Auto, zu Hause, mit ihr schläft er ein, sie ist bei ihm, wenn er sich morgens den Schlaf aus den Augen reibt, sie darf ihn sehen, wenn er duscht, und vielleicht streicht Albert auch die Zahnpastatube glatt und rollt sie ein, rügt Hilde, wenn wieder ein Stück Seife im Wasser liegengeblieben ist, raucht er daheim? Lacht er, wenn seine Kinder komische Sachen sagen? Brandmarkst du sie? Gurrst du auch, wenn Hilde ihre Fingernägel über deinen Rücken zieht? Lächelst du, wie du es bei mir tust? Oder kann Hilde vielleicht dein Lächeln nicht mehr ertragen und das Räuspern nicht mehr hören, mit dem du zu lügen beginnst? Vielleicht hört sie das Räuspern schon, wenn du die graue Autotür zuschlägst und über die Straße zum Haus gehst, so wie ich Rolfs zusammengepreßte Lippen schon sehe, bevor er die Stiegen heraufkommt, während er unten das Postfach aufsperrt, er bringt so viele Briefe in die Wohnung, und nie ist einer von dir an mich dabei, nie hast du mir eine Blume gepflückt, und ihr kaufst du welche, und sie will vielleicht, daß du dir die Gladiolen auf den Hut steckst, weil du nur die Blumen bringst und sonst nichts.
    Und Vater gibt Mutter Sicherheit, Rolf gibt sie mir, Albert gibt Hilde Sicherheit, und Rolf bespricht mit Albert das Problematische am japanischen Thunfisch, den man überhaupt nicht mehr essen kann, wegen der Bleigehalte, und Hilde erklärt mir die wunderbare Wirkung von zweimal wöchentlich Sauna und wie sich ihr Kind zum erstenmal bewegt hat, und Rolf könnte Albert etwas ganz Wichtiges sagen, Albert Rolf, und ich verkünde, daß ich jetzt den Chivas öffnen werde, und Albert gesteht, er hat die ganze Zeit auf nichts anderes gewartet, und Rolf verbietet mir, über den Preis des Whiskys zu sprechen, und Hilde wehrt sich dagegen, daß ich die teure Flasche öffne, sie entreißt mir den Chivas, Albert weist sie zurecht: Mach kein Theater. Sie macht doch keins. Sie wehrt sich ja wirklich, wenn auch nicht gegen den Whisky, und Hilde möchte gar nicht wissen, warum meine Zimmerpflanzen ausgetrocknet sind, und ich will gar nicht über die Nachteile der Zentralheizung reden, auch nicht darüber, ob ich eine Hand für Pflanzen habe oder nicht, aber der Einfachheit halber einigen wir uns darauf, daß ich keine habe und Hilde hat eine, dann ist es still. Der japanische Fisch gibt nichts mehr her, Rolf schlägt das rechte Bein über das andere, um die Stille zu durchbrechen, durchwippt sie mit dem einen Fuß, und Hilde legt schnell einen alten Gesprächsstoff auf den Tisch. Wir tun, als wäre er neu, aber abgenützt sind auch unsere Ohren. Man kann sich mit offenen Augen fortschlafen. Der Alkohol macht das Blut dick, alles, was sie reden, kommt nur noch durch eine gallertige Wand, und dann war Hilde im Bad und will wissen, wo ich die Handtücher gekauft habe, was sie kosten, und jeder sagt noch schnell alles, was ihm zu Handtüchern einfällt.
     
     
    Natürlich ist das beschissen, sagt Karl, aber du hast dich eben auf ihre Seite geschlagen, jetzt steh dazu. Das sind doch Dutzendgeschichten, was du mir erzählst, langweile mich nicht damit. Eifersüchtig ist Rolf auf mich? Ich habe mit jeder Frau an dich gedacht, sagt Karl, ich glaube, ich habe dich geliebt, und ich war ungerecht zu denen, mit denen ich es trieb, denn sie konnten ja nichts dafür, daß ich dich nicht besitzen und nicht zerstören wollte. Weißt du, was ich mache, wenn ich ausgelaugt bin von meiner Arbeit? Ich saufe mich an, schreibe ein Gedicht, mache gleich die Parodie darauf und eine Parodie auf mich, dann die Tabletten, und jeden Abend dieselbe Narkose, und morgens setze ich mich in meinen Volkswagen, fahre in die Schule, lüge den Kindern etwas vor über Geschichte und deutschen

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