Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie kommt das Salz ins Meer

Wie kommt das Salz ins Meer

Titel: Wie kommt das Salz ins Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Schwaiger
Vom Netzwerk:
Tochter weint, bist du auch eine Mutter, fragt der Junge im Gastgarten. Nein. Warum trinkst du dann einen Kaffee? Er versteckt sich hinter einer Ulme und will, daß wir ihn suchen. Wir suchen ihn nicht. Er kommt und spuckt auf Hildes neues Kleid. Hilde weist ihn zurecht und verspricht ihm ein Spielzeug für Montag, wenn er brav ist. Ich will kein Spielzeug mehr, sagt Alberts Sohn. Er hat ein Muttermal am Kinn. Ich erzähle, daß Karl mir einen Brief aus der Trinkerheilanstalt geschrieben hat. Er habe sich vor seiner Einlieferung als lebender Toter gefühlt, seine Freunde seien langsam und schweigend von ihm gegangen, er habe sich hin und wieder in ein Mädchen verliebt, aber es war nie Liebe gewesen, und er wollte doch immer eine richtige Liebesgeschichte schreiben, aber er habe nur die Schreibmaschine angeglotzt und die Bücher, die ihm nichts mehr sagen konnten. Alberts Sohn bekommt eine autoritäre Ohrfeige, weil er während meiner Erzählung mehrere Male auf Hildes Kleid gespuckt hat. Sie hörte also zu. Aber jetzt seufzt sie nur, und Albert und Rolf reden über Fernsehantennen.
     
     
    Als ich noch nicht mit Rolf und Albert allein war, als Blitz das Haustier war und ich das Wohnungstier, wenn Blitz die Augen zusammenzog und aussah wie ein Chinese, da sprach ich fließend chinesisch mit ihm und italienisch, und in allen Sprachen. Ich spielte Blitz meine Theaterstücke vor, und wenn Rolf heimkam, spielte ich weiter: Ich öffnete die Arme, ließ Rolfs müdes Haupt an meine Schulter sinken. Denn Rolf hat nie einen ordinären Kopf gehabt, immer ein Haupt. Blitz applaudierte nicht, wenn ich für Rolf spielte. Er durchschaute das Spiel und sah einen Zweck. Was fehlt dir? fragte Rolf, ganz am Anfang noch neugierig, weil manche meiner Blödheiten ihn zum Lachen bringen konnten. Also, was fehlt dir? Ich glaube, mir fehlt ein Lebensinhalt. Erstaunte Blicke von Rolf und Blitz: Sind wir keiner? Verantwortung brauche ich, ein Interesse. Du interessierst dich doch für nichts! Das kann sich ändern. Meinst du? Ja. Wenn ich dir von meinem Beruf erzähle, sagte Rolf, gähnst du durch die Nasenlöcher. Weil ich deinen Scheißberuf nicht verstehe! Wie? Rolf, verstehst du vielleicht deinen Beruf? Natürlich. Also, was machst du so den ganzen Tag? Um Himmels willen, dachte er, sie fragt schon wieder so idiotisch. Verstehst du die VÖEST, Rolf? Natürlich. Könnte ich mich als deine Frau mit deiner Arbeit identifizieren? Ja, das könntest du. Identifizierst du dich mit deiner Arbeit? Ja, das tue ich. Zum Teufel, dachte er, ich will endlich essen. Arbeite ich dadurch, daß ich für dein leibliches Wohl sorge, an der VÖEST mit? Aber klar, mein Schatz! Und auch am Staat? Freilich, mein Liebling. Liefert die VÖEST auch Stahl für Waffen nach Afrika? Wie kommst du darauf, mein Schatz? Er sagt, daß ich zuviel Phantasie habe. Ich weigere mich, Nudelsuppen zu kochen für einen, der in einem Betrieb, in dem Stahl, mit dem Waffen und so fort, kurz, daß ich mit meinen Nudelsuppen nicht Leute umlegen will. Rolf findet, das sei wohl die an den Haaren herbeigezogenste Ausrede einer Frau, die nicht gern im Haushalt tätig ist. Vielleicht hat er recht. Aber das mit der Phantasie erinnert mich an Vater. Wenn ich an eine Kindheitsbeobachtung erinnerte, wenn ich sagte: Vater, du hast doch damals zu diesem Mann das und das gesagt. Herrgott, dieses Kind hat eine Phantasie, hieß es dann. Rolf fragt, ob ich vielleicht meine Tage habe. Nein, Tage habe ich schon lange nicht mehr. Bist du schwanger? Ich bin gar nichts. Ich bin nur ich, und du hast mich gewollt, und jetzt hast du mich eben und siehst, was du hast, und wenn du es merkst, dann bin ich dir wieder nicht recht. Ich wollte eine normale Frau haben, sagt Rolf. Warum stellt er sich nicht eine Wirtschafterin an? Warum leistet dieser Automat sich keine Hure? Weiß er, wieviel er mir schuldig wäre, wenn ich eine Hure wäre? Rolf sagt, wenn ich eine wäre, müßte ich viel dazulernen. Was, zum Beispiel? Parieren, zum Beispiel. Jede Hure hat ihren Zuhälter. Ich würde aber als freischaffende Hure arbeiten. Und wer beschützt dich? Blitz! Es gibt Blindenhunde, Wachhunde, warum gibt es keine Hurenhunde?
    Das war eine anregende Gesprächswendung, und die Nudelsuppe so reich an Kalorien. Da knöpfte Rolf sich den Hosenbund auf, ich bin ja eine passable Köchin geworden, seit man mich sakramentarisch verpflichtet hat, mich mit der Materie zu beschäftigen, und eine Hure will ich jetzt auch noch sein, was

Weitere Kostenlose Bücher