Wie kommt das Salz ins Meer
ausleeren, Spuren verwischen. Warum küßt er meine Brauen, wenn er doch zudrückte und meine Gedanken abwürgte. Verstehst du, sagt Albert, und das ist keine Frage, sondern bedeutet: So ist das!
Die Melancholie kommt leise, sie schleicht sich ein mit dem Gift, das krank macht und nicht tötet. Rolf sitzt und krümmt sich über seinen Händen, als zögen sie ihn nach unten. Seit ich es ihm gestanden habe, wandert er nachts durch die Zimmer, spricht mit sich, sucht etwas im Getränkeschrank, womit man Gedanken fortschwemmen kann. Gedanken lassen sich nicht überlisten. Nicht ersäufen. Sie kommen zurück, wenn sie wieder Land haben. Graben wieder ihre Spuren in den Sand. Gedanken sind Krebse. Aufdringlich. Wehren sich, wenn man versucht, sich gegen sie zu wehren. Kommen in anderen Gestalten wieder. Es gibt Gedanken, mit denen man sich abfinden muß, an die man sich gewöhnen muß, um sie zu überleben.
Albert ist es peinlich, daß ich eine schwache Stunde gehabt und es Rolf gesagt habe. Ob ich glaube, daß Rolf es Hilde erzählen wird? Das weiß ich doch nicht. Wie hat er reagiert? Was hat er über mich gesagt? Er muß doch etwas gesagt haben! Nein, Rolf hat über Albert geschwiegen.
Auch ich habe Gewohnheiten. Die Gewohnheit, mich vor den Spiegel zu stellen und zu denken, daß ich schreien werde und daß der Spiegel zersplittern wird von meinem Schrei. Ich habe die Gewohnheit, ein Buch zu nehmen, aufzuschlagen, zuzuschlagen, zurückzustellen, denn es ist nur ein Buch, es geschieht nichts in einem Buch, weil die Seiten schon numeriert sind. Ich habe die Gewohnheit, mich zwischen Vorhang und Fenster zu stellen und mir das Zimmer anzusehen, wie es ausschaut ohne mich. Rolf hat gute Rasierklingen. Einen Eimer holen, den Arm hineinlegen, dann kommt er heim und findet seine Frau teils neben, teils im Eimer. Großmutter würde vom Küchenstuhl fallen! Vater ratlos. Mutter würde es büßen und alle Schuld auf sich nehmen, weil das bequemer ist, so eine angenehme Last ohne Konturen, so vage Schuldgefühle lassen sich besser tragen, nur keine Details, den ganzen Ballast auf einmal, das wiegt weniger, und deshalb nimmt meine Mutter immer gleich alle Schuld auf sich, wenn es was gibt. Man bringt sich aber nicht um. Und wenn du taub und verkrüppelt bist, aussätzig, wenn du allen zur Last fällst, wenn du in einem Irrenhaus gefangengehalten wirst und man dich täglich dreimal putzen muß, man bringt sich nicht um. Ich habe die Gewohnheit, Valium zu nehmen. Da träumt man besser und hat nur Zungenbelag am Morgen. Der läßt sich ja wegwaschen. Rolf sagt, er hat irgendwo gelesen, daß die Hälfte aller Frauen valiumsüchtig ist. Aber es ist nicht erklärt worden warum. Ich habe Rolf gefragt, Rolf sagt, ich soll Albert fragen. Und warum Albert mir Valium gibt, wo er es doch Hilde strengstens verbietet. Vielleicht, um eine von uns beiden loszuwerden? Du bist verrückt, sagt Rolf, und ich sehe, daß es ihm bessergeht. Jetzt ist vieles klar. War nicht dein Großvater, der Spieler, schizophren? Und dein Vater, trinkt der nicht gern, abends?
Mit wem soll Rolf Urlaubserinnerungen austauschen? Auch dazu hat man geheiratet, damit einer da ist, mit dem man sich erinnern kann. Er will auf jeden Fall, daß ich ihn begleite. Wer möchte nicht nach Mallorca? Albert und Hilde sind nach Griechenland abgeflogen. Immer muß weggefahren werden im Sommer. Im Flugzeug erklärt Rolf, wie die Düsen funktionieren und wie das mit dem Luftdruck ist in der Kabine und draußen, und das Essen, daß das tiefgekühlt und aufgetaut ist, oder ob mich das nicht interessiert? Er flirtet mit der Hostess, obwohl sie doch eine fliegende Kellnerin ist. Das hat er zumindest mir gesagt, als ich zur AUA wollte, weil mir nichts mehr einfiel. Er fragt die Hostess lauter Sachen, die er ohnehin weiß. Auf der Karte zeigt er mir, wohin wir fliegen. Und warum ein Flugzeug fliegt. Ach so? Das langweilt dich? Wer sich in ein Flugzeug setzt, sollte wenigstens wissen, wie das vor sich geht mit Starten und Landen. Gut, dann wird er nichts mehr erklären. Er lehnt sich zurück. Es ist eng in Flugzeugen. Man kann sich nicht bewegen, ohne an Rolf zu stoßen. Und die Hostess kommt als fliegende Verkäuferin, aber ich will kein zollfreies Parfum, da kauft er eins für seine Mutter.
Rolf hat wieder Magenschmerzen und Durchfall. Kaum im Ausland, wehrt sich sein Organismus. Die ungewohnte Kost. Im Hotel Siesta Mar ist das Wasser zu weich, weil es zuwenig Kalk hat. Man
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