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Wie kommt das Salz ins Meer

Wie kommt das Salz ins Meer

Titel: Wie kommt das Salz ins Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Schwaiger
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merkt es daran, daß sich die Seife nicht gut abwaschen läßt. Er erklärt. Ich verstehe. Endlich. Palmen, Zypressen, Kakteen, Zitronensträucher. Rosmarin wächst im Gebirge. Rolf beschreibt seine Verdauungsstörungen, während wir frühstücken. Und wie oft er in der Nacht aufs Klo mußte, wie schlecht die Spülung funktioniert, wie rückständig die Menschen hier leben, wie arm die Leute sind, wie primitiv, wie gierig sie nach dem Trinkgeld greifen.
    Weiße Schiffe am Horizont, violetter Sonnenuntergang, der Wind trägt viel Staub durch die winkeligen Gassen der Altstadt von Palma, unsere Milch in Österreich hat mehr Fett, an unseren Tankstellen wird man besser bedient, unsere Autobusse haben nicht so vorsintflutliche Auspuffe, unsere Straßen sind intelligenter beschriftet, und woher kommen die vielen Krüppel? Spanien war doch nicht dabei in unserem Krieg. Ach ja. Die hatten ihren eigenen. Mädchen mit Leinenschuhen, wenn sie lachen, lachen sie wirklich. Kinder balgen sich um Sonnenblumenkerne. Die blaue Bucht bei Deyá, der hochgelegene Friedhof, hier wurden die Leute über hundert Jahre alt, der jüngste Tote ist achtundsechzig, woran kann der gestorben sein? Mandelmilch trinken wir, Männer sitzen auf Felsen und angeln, das Wasser kommt und geht und kommt und geht, die Möwen fliegen, ohne zusammenzustoßen, und im Flugzeug studiert Rolf wieder die Sicherheitsanweisungen, flirtet mit keiner Hostess, weil er sich schmutzig und müde fühlt nach diesem Urlaub, wir haben ja doch wieder nur gestritten, und er hat wirklich kurze Hosen getragen und eine Schirmmütze! Ich schämte mich, und schämte mich dafür, daß ich mich schämte. Und daß er gar nichts merkte, und dafür, daß ich unter allen Möglichkeiten Rolf gewählt habe.
     
     
    Karl hat sich verliebt und ist freiwillig in die Trinkerheilanstalt gegangen. Mehr weiß die Mutter nicht, nur: Das Mädchen hat ein uneheliches Kind, arbeitet als Bankangestellte, hat auch einen Volkswagen, ihre Eltern sind gegen Karl, und sie hat mit Karl einen Pakt geschlossen. Wenn Karl zurückkommt und zwei Jahre nicht trinkt, werden sie heiraten. Seine Mutter ist sehr froh. Seine Geschwister wollten ihn ja früher schon zwingen, mit dem Alkohol aufzuhören. Denn wenn er sehr betrunken war, sagte er oft, er würde ein Feuer anzünden und sich und alles, was er geschrieben hat, verbrennen. Weil er es ja doch zu nichts bringt als Schriftsteller, was doch immer sein Traum war. Die Mutter hat einen kleinen Wagen mit Kartoffeln beladen. Es ist der Kinderwagen, in dem sie der Reihe nach saßen. Karl und seine Geschwister. Früher. Früher, als ich beim Mittagessen zusah, wie Vater mit der Gabel ein Muster ins Tischtuch zeichnete, während er aufs Essen wartete. Das mußte so sein. Die Serviette und die Gabel und das Warten waren da, damit Vater Muster zeichnete. Die dicke Ader an Vaters Schläfe war da, weil Väter Adern haben müssen an den Schläfen. Besonders beim Kauen.
     
    Ich gehe zurück in die Wohnung, in der Rolf und ich kauen und Muster zeichnen. Schritte machen, nicht stürzen, nicht heulen, Heu sein in Alberts Hand und vermodern, wenn er es wegwirft, er ist so braun aus Griechenland zurückgekommen, ich möchte wissen, ob er am ganzen Körper so braun ist. Hilde anrufen und fragen? Am Stadtrand sitzen alte Frauen auf den buntlackierten Holzbänken, die der Verschönerungsverein unserer kleinen Stadt gestiftet hat. Auf jeder Bank steht auf einem Metallschild zu lesen, woher die Bänke stammen. Die Frau des Verschönerungsvereinsobmanns ist auch valiumsüchtig, heißt es. Wenn sie besonders freundlich grüßt, steht sie gerade unter Höchstwirkung. Alberts Auto fährt an der Promenade vorbei. Er macht ja Krankenbesuche. Auch mein Vater hat viel zu tun, wenn er aus dem Urlaub zurückkommt. Mein Vater hat Alberts Urlaubsvertretung übernommen. Albert grüßt mich unauffällig. Er hebt nur den Arm aus dem offenen Autofenster. Rolf meint, ich solle mir nichts einbilden. Albert habe viele Patientinnen. Mutter sagt, wenn die Weiber einen weißen Kittel sehen, werden sie gleich romantisch. Und viele lassen sich öfter als nötig untersuchen. Und eine hatte noch das Preisschildchen am neuen Höschen hängen, als sie sich vor Vater auszog.
     
    Eine Phase des Schweigens. Es bröckelt ab, und der Sand rieselt, als einziges hörbar. Wir sagen uns guten Morgen und guten Appetit. Das Fleisch ist grobfasrig, woher hast du es? Von nebenan. Wo warst du gestern? Mit Albert. Ich kann

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