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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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er nach dem Telefon.
    Laura Gottberg ging langsam zwischen zwei riesigen Gummibäumen auf und ab. Hinter den großen Glasscheiben stand die grauschwarze Wattewand.
    Ich habe einen Fehler gemacht, dachte sie. Ich hätte mir die Stelle ansehen sollen, an der man die beiden gefunden hat. Vielleicht ist der junge Mann aus dem Eurocity gefallen oder gestoßen worden. Vielleicht gibt es einen Zusammenhang zwischen ihm und der toten Frau. Na ja, die Kollegen haben eine genaue Skizze angefertigt, wo die beiden gelegen haben   … Aber wieso hab ich mir die Stelle nicht selbst angeschaut? Ich bin einfach mit dem Arzt weggegangen – ohne einen Gedanken an diesen mysteriösen Unfall zu verschwenden.
    Laura strich über das feste dunkelgrüne Blatt eines Gummibaums. Sie wusste genau, warum sie nicht auf die Gleisegestiegen war. Sie hatte es den andern überlassen, weil sie müde war, unmotiviert, irgendwie gleichgültig, als ginge sie das nichts an, und sie überlegte, ob sie das gut oder schlecht finden sollte. Noch vor ein paar Monaten wäre ihr so ein Verhalten nicht in den Sinn gekommen.
    Laura schüttelte leicht den Kopf und schaute auf die Uhr. Genau acht Minuten wartete sie bereits; und in diesem Augenblick betrat ein Mann im weißen Kittel durch eine Seitentür die Eingangshalle. Kein Pfleger, sondern der Dienst habende Arzt. Laura verstand seinen Namen nicht richtig, vergaß selbst die ungenaue Ahnung davon sofort wieder. Sie würde später noch einmal fragen – nach dem Gespräch, nachdem sie den Verletzten gesehen hatte. Doch der Arzt, ein großer schlaksiger Mann mit goldener Brille und einem irgendwie zu kleinen Kopf, bestand vor allem aus Abwehr.
    «Ich bin selbst gekommen und habe keine Schwester geschickt, um Ihnen den Weg nach oben zu ersparen, Frau Kommissarin. Der Verletzte liegt im Koma, Schädelbasisbruch, Prellungen. Sie können ihm keine Fragen stellen, und er wird längere Zeit nicht ansprechbar sein.»
    «Oh!», erwiderte Laura. «Besteht Lebensgefahr?»
    «Das würde ich nicht unbedingt sagen. Sein Zustand ist kritisch, aber stabil. Aber man kann nie genau vorhersagen, wie sich solche Traumata entwickeln.»
    «Ich würde ihn gern sehen!»
    «Weshalb?»
    «Ich wüsste gern, wie er aussieht, weil das für meine Ermittlungen nützlich sein kann. Möglicherweise ist er aus einem Zug gesprungen, in dem ein Mord geschah!»
    Der Arzt runzelte die Stirn.
    «Reicht es nicht, wenn Sie ihn morgen sehen? Er wird sich nicht verändern, das garantiere ich Ihnen! Er wird auch nicht weglaufen!»
    Laura legte den Kopf zur Seite und versuchte mit ihrem Blick die Augen des Doktors zu erreichen, die weit oben hinter der Brille verborgen waren.
    «Ich bin müde», sagte sie langsam, «mindestens so müde wie Sie, und ich möchte trotzdem diesen Mann sehen, weil es wichtig ist. Ich erwarte eine gewisse Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Falls es Sie interessiert: ich möchte auch den Rangierarbeiter sehen, Doktor   …»
    Er kniff den Mund zusammen, seine Lippen verschwanden irgendwie nach innen.
    Wie zahnlos, dachte Laura. Er wird Oberlippenfalten bekommen wie eine alte Frau, wenn er nicht aufpasst.
    «Gut!», sagte er scharf. «Gegen die Polizei kann man wohl nichts machen. Kommen Sie mit!»
    Er drehte sich um, ungelenk, ging schnell voran, durch die Seitentür, aus der er zuvor getreten war, durch lange Gänge, die zu grell erleuchtet waren, durch Schwaden von Krankenhausgerüchen, diese Mischung aus Urin, Desinfektionsmitteln, verwelkenden Blumen, frischen und gebrauchten Laken, Kantinenessen. Sie passierten unzählige Schwingtüren, die er für sie aufhielt – immer nur knapp, sodass sie sich beeilen musste   –, und erreichten endlich eine Glaswand, über der «Intensivstation» stand und «Eintritt nur für Krankenhauspersonal!»
    «Ich nehme an, Sie haben so etwas schon öfters gesehen», sagte der Arzt, dessen Namen Laura noch immer nicht wusste.
    «Jaja», murmelte sie ungeduldig.
    «Ja, dann   …» Er öffnete die Tür in der Glaswand, verbeugte sich seltsamerweise ein wenig und ließ sie eintreten wie in ein Allerheiligstes. Augenblicklich hörte Laura das Piepen unzähliger Kontrollgeräte. Jeder Ton ein Herzschlag, ein Atemzug, Leben.
    «Hier – gleich rechts. Sie werden nicht viel sehen von ihm. Aber sie haben ja darauf bestanden   …»
    «Danke.» Laura schnitt ihm das Wort ab. «Zeigen Sie mir den Verletzten, und lassen Sie mich einfach in Ruhe schauen – bitte!»
    Wieder verschwanden die Lippen

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