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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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  … er wusste es nicht mehr.
    «Wo   …», flüsterte er, «…   wo ist er denn?»
    «Auch hier. Nur in einer anderen Abteilung.»
    Stefan Brunner nickte kaum merklich. Plötzlich hatte er so heftige Kopfschmerzen, dass ihm schwarz vor Augen wurde. Ganz still lag er da, atmete flach, wartete einfach. Darauf, dass der Schmerz vorübergehen würde. Er vergaß die Polizistin und alles andere. Das schwarze Loch war wieder da, drehte sich wie ein Strudel. Aber diesmal war es gar kein Loch, es war gefüllt mit diesem pochenden Schmerz, der ihn blind machte. Schon ein paar Mal war er gekommen, dieser Schmerz, wie eine Welle, und wie eine Welle war er auch wieder gegangen. Deshalb wartete Brunner mit geschlossenen Augen.
    Als die Welle sich zurückzog, lief kalter Schweiß über sein Gesicht, und als er selbst aus dem schwarzen Strudel auftauchte, in dieses Bett zurückkehrte und nur noch ein bisschenfröstelte, da spürte er eine sanfte Berührung auf seiner Stirn.
    Er schlug die Augen auf und sah eine Frau, verschwommen nur, hielt sie für eine Schwester, die ihm den Schweiß abtupfte, doch als das Bild klarer wurde, erinnerte er sich an die Polizistin mit den ernsten Augen.
    Sie war noch immer da. Jetzt fiel ihm auch ein, was sie gesagt hatte: Dass er stolz sein durfte, weil er   … was hatte er? Wieder war alles weg. Sein Herz schlug dumpf, zu laut und zu schnell. Er versuchte zu sprechen, aber sein Mund und seine Kehle waren so trocken, dass er nur ein Krächzen herausbrachte.
    Die Frau griff nach einem Becher und gab ihm behutsam zu trinken. Zwei, drei winzige Schlucke – mehr schaffte er nicht. Dann versuchte er es nochmal.
    Jetzt ging es. Er hörte sich!
    «Was hab ich gemacht?»
    «Genau weiß ich es auch nicht, Herr Brunner. Aber Sie haben wohl einen Verletzten auf den Gleisen vor dem Hauptbahnhof gefunden, und Sie haben ihn vor einem einfahrenden Zug gerettet.»
    «Hab ich das?»
    Sie nickte. Es dauerte ein, zwei Minuten, bis die Bedeutung dieses Nickens bei Brunner angekommen war, dann durchströmte ihn ein heftiges Glücksgefühl, verdrängte die Angst und den Schmerz.
    Es war geschehen! Er hatte es getan, das Ungewöhnliche, von dem er immer geträumt hatte, von dem er fürchtete, dass es nie eintreffen würde. Jetzt musste er sich nur noch daran erinnern, es aus dem schwarzen Loch des Vergessens hervorholen. Er würde sich erinnern! Ganz sicher. Dieses schwarze Loch konnte ihm seine Tat nicht wegnehmen. Wieder brach ihm der Schweiß aus.
    «Können Sie sich an die Zeit erinnern, ehe Sie von dem Zug gestreift wurden?», fragte die Frau. Ihr Gesicht war seinem jetzt sehr nahe. Sie hatte dunkle Augen, dunkelbraun, mit langen Wimpern und dunklen Augenbrauen. Aber ihr Haar war heller – mehr kastanienbraun, dachte Brunner.
    Was hatte sie gesagt? Vom Zug gestreift?
    Brunner sah plötzlich die milchigen Scheinwerfer vor sich, den Nebel. Gestreift? Er war nicht gestreift worden. Eher war der Zug über ihn und den andern drübergefahren. Das jedenfalls sagte ihm sein Körper. Jetzt, wo sie ihn fragte, klang ein dumpfer Schlag in ihm nach – in jeder Zelle, jedem Knochen. Und vorher?
    Da war noch ein Schlag. Aber der war nicht so dumpf, klang irgendwie heller durch seinen Körper. Gestürzt war er! Mit dem Kopf auf die Schienen. Das war es!
    Stefan Brunner hob den gesunden Arm und betastete vorsichtig seinen Kopf. Seine Finger fanden den Verband, und wieder war er froh. Es stimmte, was sein Körper ihm sagte. Jetzt verstand er auch die Kopfschmerzen. Aber was war davor geschehen, vor dem hellen Schlag auf den Kopf? Er hatte etwas gehört, aber ihm fiel nicht ein, was es war.
    «Ich hab etwas gehört!», flüsterte er und schaute dabei in die fragenden Augen der Polizistin.
    «Ja?», antwortete sie leise.
    Er fühlte sich unruhig, schwitzte schon wieder.
    «Es kommt nicht. Ist einfach weg! Aber es wird mir wieder einfallen, dann sag ich’s Ihnen!»
    «Danke!», erwiderte die Frau. «Lassen Sie sich Zeit. Es ist schon eine Menge, wenn Sie wissen, dass Sie etwas gehört haben. Hat vielleicht jemand gerufen – oder geschrien?»
    Wieder schloss Stefan Brunner die Augen. Geschrien hatte niemand und auch nicht gerufen. Aber was konnte es sonst gewesen sein? Der Nebel hatte alles zugedeckt, auchdie Geräusche. Etwas war da gewesen, das ihm sagte, dass er nicht allein war.
    Graffiti! Hatte er nicht an Graffiti gedacht? Sprayer? Was war es noch? Stefan Brunner stöhnte vor Anstrengung.
    «Der Patient braucht jetzt

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