Wie Krähen im Nebel
sediert.»
Laura nickte vor sich hin, spürte plötzlich Schmerzen in allen Muskeln, vielleicht auch den Knochen. Sie konnte es nicht genau ausmachen.
«Ja, das habe ich befürchtet!», murmelte sie. «Genau das.»
«Ich denke, du solltest dich wieder hinlegen!», sagte Baumann. «Du bist sehr blass. Und wenn ich dir einen Rat geben darf, dann nimm dir die Geschichte der Rosl Meier nicht so zu Herzen. Es gibt Menschen, die kommen einfach nicht aus der Scheiße raus. Vielleicht hat es irgendwas mit Karmazu tun. Ich habe keine Ahnung!» Er stand auf und zog seine Jacke an.
«Danke für die Blumen!», sagte Laura leise.
«War mir eine Ehre! Ich wünsch dir gute Besserung. Bleib bloß morgen im Bett. Ich werde mir die Frau Dr. Petrovic genauer ansehen und dich auf dem Laufenden halten.»
«Danke!»
Laura winkte ihm zu, schloss die Tür hinter ihm und lehnte sich an die Wand. Sie weinte und wusste nicht warum.
Die junge Frau in den schwarzen Kleidern führte Commissario Guerrini sicher durch die Industrievorstadt von Florenz. Sie sagte nicht viel, nur «links» oder «rechts», und endlich fand er sich mit seinem Lancia in genau jenem Innenhof, in dem vor ein paar Tagen Flavio seinen Lada geparkt hatte. Danach folgte er der Frau über die Brücke, vorüber an den nackten Zypressen, und alles erschien ihm wie eine Wiederholung von etwas, das er schon einmal erlebt hatte.
Der Wind war sehr kalt, schien hier draußen noch heftiger zu wehen als in der Stadt, Guerrini war froh, als sie endlich das Haus erreichten. Im Treppenhaus roch es noch immer nach Katzenpisse, aber wenigstens blies hier kein Wind. Auf halber Treppe drehte sich Flavios Gefährtin zu ihm um, blieb so plötzlich stehen, dass er gegen sie prallte.
«Was wollen Sie von denen?», fragte sie heiser.
«Ich … fange an, eine Art Plan zu entwickeln!», murmelte er. «Dazu brauche ich die Hilfe dieser Frauen … und Ihre Hilfe, Signora.»
«Ich bin keine Signora!», entgegnete sie heftig. «Ich bin eine Signorina, und das wissen Sie genau, Commissario. Also lassen Sie diesen Unsinn!»
«Bei erwachsenen Menschen mache ich diese Unterschiedenicht, Signora. Finden Sie nicht, dass Signorina höchstens auf Teenager zutrifft?»
Sie starrte ihn kurz an, senkte dann den Kopf und ging weiter, flüsterte etwas, das wie
«Scusi»
klang. Als sie vor der Wohnungstür ankamen, fiel ihr ein, dass sie keinen Schlüssel besaß.
«Ich habe ihn!», sagte Guerrini. «Er lag neben Rinaldo, als ich ihn fand.»
Wieder starrte sie ihn an, mit erschrockenen, leicht geweiteten Augen.
«Es gibt ein Klopfzeichen!», sagte sie leise. «Aber ich habe es vergessen.»
Guerrini nickte und wiederholte den Rhythmus, den Flavio vor ein paar Tagen an die Tür getrommelt hatte. Wieder starrte sie ihn mit erschrockenen Augen an, und er wusste, dass sie ihn für einen der Hintermänner hielt oder für einen Verbindungsmann, der eben bei der Polizei arbeitete. Es gab ja alles, wirklich alles. Sie tat ihm Leid. Aber es hatte keinen Sinn, ihr Erklärungen anzubieten. Sie würde ihm nicht glauben, war bereits in diesem paranoiden System gefangen.
Wieder trommelte Guerrini gegen die Tür, doch diesmal wurde sie nicht geöffnet wie beim letzten Mal. Deshalb nahm er das Schlüsselbund, probierte einen Schlüssel nach dem andern, während sie starr neben ihm stand. Der vierte Schlüssel war endlich der richtige. Als die Tür aufsprang, zögerte Guerrini einen Augenblick, hatte plötzlich die Vorstellung, beide Frauen ermordet zu finden.
Es war stockdunkel im Flur. Guerrini tastete mit der linken Hand nach dem Lichtschalter, während seine rechte den Griff der Dienstwaffe umfasste. Das Licht ging nicht an – entweder war die Birne kaputt, oder jemand hatte sie herausgedreht. Er lauschte, meinte Atmen zu hören … sein eigenes, das der jungen Frau, die noch immer bewegungslosim Treppenhaus stand? Als auch da das Licht ausging, stieß sie einen kleinen Schreckensschrei aus.
Guerrini presste sich an die Wand und bewegte sich langsam zur Küchentür – jedenfalls dahin, wo er diese Tür in Erinnerung hatte, erreichte sie … sie stand offen, ein schwarzes Loch in der Wand. Etwas brach aus diesem schwarzen Loch hervor, streifte seinen Kopf, krachte auf seine linke Schulter. Er ließ seine Waffe los und packte zu, bekam etwas zu fassen, das sich wie ein Arm anfühlte, drehte heftig daran und hörte einen deutlich weiblichen Schmerzensschrei.
«Mach das Licht an, Clara!»,
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