Wie Krähen im Nebel
ein, ich bin beinahe gestorben vor Angst!»
«Es gibt keinen Grund. Die Damen sind munter und wild entschlossen, um ihre goldene Zukunft zu kämpfen. Aber sie werden etwas dafür tun müssen … Ich habe nämlich einen Plan, den ich gern mit dir besprechen möchte! Damit die ganze Sache funktioniert, brauche ich dich – hier in Florenz, Laura. Am besten, du setzt dich in das nächste Flugzeug!»
Sie musste lachen, obwohl Tränen über ihre Wangen liefen. «Das hast du dir ausgedacht, damit ich mir wieder alle möglichen Ausreden überlegen muss!», antwortete sie.
«Nein!» Seine Stimme klang sehr ernst. «Es ist kein Scherz. Ich brauche dich wirklich. Um diese Kerle zu erwischen, müssen wir die Damen auf die Reise schicken. Und wenn du die Sache in Deutschland über die Bühne kriegen willst, dann müssen wir sie so lange hinhalten, bis der Zug über die Grenze ist!»
«Du bist verrückt!»
«Vielleicht. Alles, was ich tue, widerspricht eigentlich meinen Grundsätzen. Es muss irgendetwas mit dir zu tun haben, Laura.»
Sie hielt ihr Handy so fest ans Ohr gepresst, dass es wehtat. Horchte einfach und vergaß zu antworten.
«Bist du noch da?»
Sie nickte, erinnerte sich dann, dass er sie ja nicht sehen konnte, und murmelte: «Sì!»
«Also, wann kommst du?»
«Ich liege im Bett, Angelo. Ich hatte den ganzen Tag Fieber … Grippe oder so was!»
«Wer pflegt dich?»
«Luca macht mir Tee, es ist schon in Ordnung!»
«Wie lange wird es dauern? Weißt du, bei mir hilft es meistens, wenn ich mich auf etwas freue. Dann werde ich ganz schnell gesund. Was hilft bei dir, Laura?»
«Im Augenblick weiß ich es nicht so genau … aber es hilft schon, dass dir nichts passiert ist.»
Er lachte leise. «Wie lange also?»
«Zwei Tage.»
«Vielleicht hast du auch nur einen. Ich muss versuchen, Kontakt zu diesem Mittelsmann aufzunehmen. Nur dann bekommt diese ganze Aktion überhaupt einen Sinn. Falls es mir nicht gelingt, werde ich die beiden Frauen nach München fahren … selbst wenn du etwas dagegen hast.»
«Du hast Glück … ich bin gerade zu schwach und zu sentimental, um etwas dagegen zu haben!»
«Ich werde die Zeit nutzen …» Wieder lachte er auf eine Weise, die Laura den Atem nahm, so sehr sehnte sie sich nach ihm.
«Wie geht es Flavio?», fragte sie.
«Er lebt. Seine Freundin ist bei ihm. Eine schöne junge Frau, die eigentlich gar nicht zu ihm passt. Ich nehme an, dass sie aus einer der adeligen Familien dieser Stadt stammt. Sie hat mir versprochen, kein Wort gegenüber den Carabinieri verlauten zu lassen – nichts über mich, die Frauen, Flavios Aktivitäten. Aber ich nehme an, dass der junge Mann aktenkundig ist. Mal sehen, was sich da entwickelt. Ich treffe mich morgen früh mit ihr in der Bar, in der wir zusammen gefrühstückt haben.»
«Was machst du jetzt?»
«Ich werde schlafen.»
«Du gehst nicht mehr aus?»
«Nein, ich bin todmüde! Weshalb fragst du?»
«Wenn ich weiß, dass du nicht mehr fortgehst, sondern im Bett liegst, dann kann ich vielleicht auch schlafen … lach bitte nicht über mich! Es liegt wahrscheinlich nur an meiner Grippe!»
«Ich lache nicht!»
«Dann … gute Nacht, Angelo!»
«
Dormi bene
, Laura, schlaf gut und werd schnell gesund!»
Sie drückte auf den winzigen Knopf, krabbelte aus dem Bett und wühlte in ihren CDs, die ziemlich unordentlich in einer Schublade ihres Schreibtischs lagen. Ganz unten fand sie endlich, was sie suchte: Andrea Bocelli, ‹Melodramma›.
Als die höchst dramatischen Klänge ihr Schlafzimmer füllten, traten wieder Tränen in ihre Augen. Sie war sich durchaus bewusst, dass sie die CD (ein Geschenk Sofias) in die unterste Schublade verbannt hatte, weil sie diese Musik bisher als sentimentalen Kitsch empfunden hatte.
Aber jetzt passte sie. Und Laura dachte – irgendwie dankbar und beinahe demütig –, dass es in diesem Leben für alles einen Platz gab.
Sie hörte das Lied dreimal hintereinander an.
Am nächsten Tag schlief Laura bis zehn weiter, nachdem sie um sieben mit ihren Kindern gefrühstückt hatte. Luca und Sofia wollten sie ins Bett schicken, doch sie ließ sich das kurze Beisammensein nicht nehmen. Trotzdem musste sie lächeln, wenn sie an das ernste, beinahe strenge Gesicht ihrer knapp dreizehnjährigen Tochter dachte und sich ihre Worte ins Gedächtnis rief: «Ich möchte wirklich wissen, was du sagen würdest, wenn ich Grippe hätte und trotzdem mit dir frühstücken würde! Kannst du
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