Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
Vom Netzwerk:
Doppelmoral, die jede Menge Unrecht ermöglicht – angefangen von unserem Regierungschef bis zum kleinen Mafiaboss, der einen Landstrich im Süden kontrolliert.»
    «Ach, hören Sie auf. Ich kann das schon lange nicht mehr hören! Rinaldo sprach von nichts anderem – als bestünde das ganze Leben daraus, als gäbe es keine Freude, keinen Frühling, keine Liebe. Alles wurde der Idee untergeordnet!»
    Sie zog den Schal noch höher. Jetzt konnte Guerrini auch ihre Augen nur noch erahnen, und einer Eingebung folgend fragte er:
    «Auch Sie, hat er auch Sie der Idee untergeordnet?»
    «Ja natürlich, was glauben Sie denn? Immerhin bin auch ich eine Angehörige der bürgerlichen Klasse, die an allem schuld ist!» Ihre Stimme klang bitter.
    «Sie haben nicht zufällig ein Messer genommen, um diese Unterordnung zu beenden?»
    Sie lachte auf, schob mit einer schnellen Bewegung den Schal von ihrem Kopf und stand im Lichtstrahl eines der Scheinwerfer, die nachts die Loggia dei Lanzi beleuchten. Guerrini kam sie sehr jung vor, höchstens Anfang zwanzig. Sie war schön, hatte große, dunkle Augen, dichtes welliges Haar, weich geschwungene Lippen.
    «Nein!», sagte sie heftig. «Ich habe kein Messer genommen! Aber vielleicht hätte ich es tun sollen! Er hat mich mit diesen Frauen betrogen   … ich bin ganz sicher, dass er es tat. Diese Frauen waren viel wichtiger als ich. Er war immer für sie da – Tag und Nacht, wann immer sie anriefen. Und sie riefen oft an!»
    Guerrini seufzte. «Und warum sind Sie bei ihm geblieben, wenn er Sie betrogen hat? Entschuldigen Sie die Frage, aber ich stelle sie mir immer wieder, wenn ich Geschichten wie die Ihre höre!»
    Sie drehte den Schal in ihren Händen, wirkte auf einmal verlegen. «Ich weiß es nicht!», sagte sie so leise, dass er sie kaum verstehen konnte. «Er hat immer gesagt, dass er mich liebe, wenn ich mich beklagt habe. Ich habe es ihm geglaubt   …und ich liebe ihn ja auch.
Dio buono
, lieber Gott, mach, dass er das überlebt!» Jetzt weinte sie.
    Angelo Guerrini widerstand dem Impuls, sie zu trösten, blieb einfach stehen und betrachtete sie, während er überlegte, ob er ihr glauben konnte.
    «Ich möchte Sie um etwas bitten!», sagte er schließlich. «Sie wissen wahrscheinlich, wo diese Transfer-Wohnung liegt. Es wäre sehr hilfreich von Ihnen, wenn Sie mich dorthin begleiten würden. In diesem Fall geht es nämlich nicht nur um Rinaldo, sondern auch um das Leben dieser Frauen. Ich nehme an, dass Rinaldo Ihnen von den Morden erzählt hat.»
    Sie schluckte, nickte dann.
    «Deshalb wollte ich ja, dass er endlich aufhört, für diese Organisation zu arbeiten. Ich habe ihm gesagt, dass die genauso mit Menschen handeln wie die andern, aber da hat er mich angeschrien!»
    «Kommen Sie also mit?»
    Sie nickte.
     
    Laura ging es ein bisschen besser. Das Fieber war weg, nur ihr Kopf fühlte sich noch seltsam schwer an und ihr wurde leicht schwindlig, wenn sie sich zu schnell bewegte. Trotzdem hatte sie es geschafft, ein Abendessen zu bereiten und ihren Kindern zuzuhören. Sofia war ganz erfüllt von den Tagen bei ihrer Freundin, ihr blasses Gesicht leuchtete wie Porzellan, da sie offensichtlich die letzten Nächte kaum geschlafen hatte.
    «Wir hatten uns so viel zu sagen, Mama! Es ist einfach phantastisch, wenn man einem anderen Menschen alles erzählen kann, einfach alles!»
    Laura nickte vorsichtig, dachte traurig, dass sie dieser Mensch jetzt nicht mehr war. Vermutlich gut so, aber trotzdemschmerzhaft. War plötzlich dankbar, dass es Angelo Guerrini gab, dass auch sie ein Geheimnis hatte, einen Vertrauten. War er das? Einen ziemlich Vertrauten   … stellte sie richtig. War umso dankbarer, wenn sie in das übermüdete Gesicht ihres Sohnes Luca schaute, der wohl ebenfalls nicht viel geschlafen hatte, sondern ganz gefangen war in seinen neuen Erfahrungen.
    Nach dem Essen räumten beide Kinder gemeinsam das Geschirr in die Spülmaschine, verschwanden dann in ihren Zimmern, um zu telefonieren und Hausaufgaben zu machen. Laura blieb in der Küche zurück, trank heiße Zitrone mit Honig und fühlte sich allein gelassen, fragte sich nach einer Weile, warum weder ihr Vater noch Angelo Guerrini anrief, warum nicht einmal Peter Baumann sich meldete, obwohl er wusste, dass sie krank war. Und plötzlich fiel ihr auf, dass auch ihr Ex-Mann Ronald sich seit längerer Zeit nicht mehr gemeldet hatte. Nicht dass sie besonders viel Wert auf seine Anrufe legte   … und doch bedeuteten sie so

Weitere Kostenlose Bücher