Wie Krähen im Nebel
etwas wie Kontinuität, eine gewisse Verbundenheit, die manchmal gut tat.
Deshalb war sie erleichtert, als die Türklingel schrillte. Keines der Kinder reagierte, das Telefon war besetzt – vermutlich sprach Luca mit seiner Freundin. Laura ging durch den langen Flur zur Wohnungstür, fühlte sich wieder schwach auf den Beinen, stützte sich an der Wand ab.
«Wer ist denn da?», fragte sie durch die Sprechanlage.
«Ich steh schon hier draußen!»
Es war Peter Baumanns Stimme. Laura wurde bewusst, dass sie sich noch nicht gekämmt hatte und völlig ungeschminkt war. Fand diese Überlegung lächerlich und fühlte sich trotzdem seltsam gehemmt.
«Einen Augenblick!», rief sie, wankte zum Badezimmer zurück, bürstete ihr Haar und trug Lippenstift auf. Es halfnicht viel. Sie sah wirklich krank aus. Entschlossen drehte sie sich um und öffnete die Wohnungstür.
«Hallo!», sagte er und hielt ihr einen Frühlingsstrauß entgegen. Gelbe Tulpen und Mimosen.
«Danke, das ist … wieso bringst du mir Blumen?» Laura fühlte sich hilflos. Irgendwie war er der Falsche, der die Blumen brachte. Warum ließ er einfach nicht locker?
«Ich dachte, dass eine Erkältung nicht besonders angenehm ist und der Winter lang, der Frühling weit und dass du Blumen magst … willst du noch mehr wissen?»
«Nein, es reicht schon.»
«Kann ich reinkommen, oder willst du nur die Blumen?»
«Nein … mach mich doch nicht so verlegen! Komm schon rein! Aber ich warne dich vor meinen Viren!»
«Ich fühle mich ganz resistent!», lächelte der junge Kommissar. «Außerdem muss ich mit dir sprechen, und nachdem dein Telefon ununterbrochen besetzt und dein Handy abgeschaltet ist, blieb mir nichts anderes übrig, als selbst zu kommen!»
«O Gott, ich hab ganz vergessen, dass ich mein Handy abgeschaltet habe. Ich hatte Fieber, weißt du … mir ist immer noch ziemlich mies.»
Sie ging vor Baumann zur Küche, fand ihren Flur wirklich sehr lang, und die Mimosen in Baumanns Strauß dufteten so stark, dass sie niesen musste.
«Setz dich. Magst du ein Glas Wein?» Sie nahm eine Vase aus dem Schrank und füllte sie mit lauwarmem Wasser. Baumann zog seine Lederjacke aus, hängte sie über die Stuhllehne und setzte sich, ließ seinen Blick durch die geräumige Wohnküche wandern.
«Gemütlich hast du’s hier!»
Laura stellte die Vase mit den gelben Blumen auf den Tisch, sah sich kurz um.
«Ja, ich glaube, es ist ganz gemütlich. Luca, Sofia und ich haben alle Möbel blau angemalt – war ’ne ganz schöne Arbeit, aber es hat sich gelohnt.» Sie lehnte sich an die Anrichte. «Also, was möchtest du trinken?»
«Könnte ich einen Kaffee bekommen?»
Sie nickte und stellte die kleine italienische Espressokanne auf die Herdplatte, füllte Wasser und Kaffeepulver ein. Dann setzte sie sich ebenfalls und nippte an ihrer heißen Zitrone, die inzwischen nur noch lauwarm war.
«Worum geht’s?»
Baumann presste die Lippen zusammen und zog die Schultern hoch. «Ich muss dir etwas beichten!», sagte er. «Ich bin dir gestern nachgegangen, als du dich mit der langbeinigen Menschenfreundin getroffen hast. Es war nur so ein Gefühl, dass du nicht allein mit dieser Frau sein solltest …»
Laura zuckte die Achseln. «Und?»
«Es ist ja nichts weiter passiert. Sie verließ nur etwas überstürzt das Lokal – das weißt du ja selbst – und da hatte ich die Gelegenheit ihr zu folgen, weil sie nicht sehr aufmerksam war. Hast du sie geärgert?»
«Nein, ich habe ihr nur gesagt, dass Flavio tot ist.»
«Was?» Baumann starrte Laura mit offenem Mund an. «Sag das nochmal!»
«Er ist nicht tot. Aber das habe ich doch gestern in der Besprechung schon erzählt!»
«Vielleicht, aber das war genau die, in der ich nicht da war!»
Laura sah ihn verwirrt an, doch dann erinnerte sie sich daran, dass Baumann bei zwei Besprechungen gefehlt hatte. «Weißt du noch gar nicht, was mit Flavio passiert ist?»
«Nein, Frau Hauptkommissarin. Ich habe nicht die geringste Ahnung, weil ich gestern Abend erst gegen sechs ins Dezernat zurückkam, da waren die andern schon weg! Ichhabe irgendwie das Gefühl, dass wir alle auf eigene Faust ermitteln und allmählich den Überblick verlieren! Nicht sehr professionell, oder?»
Der Espresso in der kleinen Kanne begann zu brodeln, und Kaffeeduft zog durch die Küche.
«Nein, nicht sehr professionell!», stimmte Laura zu, unterdrückte ein Kichern, das sie ihrem Zustand zuschrieb. Fieber hatte bei ihr stets die
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