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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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klüger.
    «Ja, was woll’n S’ denn von der? Die red’t doch mit niemand! Kommen S’ vom Sozialamt? Des werd aa Zeit, dass S’ nachschaun!»
    Die alte Frau zog ihre Schultern hoch und den Schal enger um ihren Hals. Ihr kurzbeiniger Hund zerrte heftig zum Straßenrand und hob das Bein an einem geparkten Wagen.
    «Wohnt die Frau Meier schon lange hier?», fragte Laura.
    Die alte Frau stieß ein hohes dünnes Lachen aus.
    «Ja mei! Seit funfz’g Jahr mindestens! Aber seit zehn Jahr red i nimmer mit ihr!»
    «Oh!», machte Laura.
    «Woll’n S’ wissen warum? I sag’s Eana! Die behauptet, dass meine Hund’ stinken! Und dass des ganze Treppenhaus voller Haar ist! Aber ich sag’s Eana: meine Hund’ stinken nicht! Ich hab seit vierzig Jahren Hund’ und noch keiner hat g’stunken! Aber bei der Meier stinkt’s. Sie werd’n’s selber riechen! Ganz gewaltig stinkt’s bei der!»
    «Danke», murmelte Laura. «Einen schönen Tag noch.»
    Vor Baumann trat sie ins Treppenhaus, ging über den hellblau-weiß gekachelten Boden bis zum verschnörkelten Treppengeländer, drehte sich zu ihm um und brach erst dann in Gelächter aus.
    «Es ist unglaublich», sagte er und rieb seinen Schnurrbart. «Die Aussage dieser Alten passt genau zu deinem Geruchsabenteuer Haidhausen. Allerdings fängt es jetzt an zu stinken.»

 
    Als es an der Tür klingelte, lag Rosl Meier noch immer im Bett. Sie hatte keine Kraft zum Aufstehen. Ihre Mutter rührte sich auch nicht. Seit Stunden war Rosl schon wach und dachte nach. Nur eins war ihr klar: Sie musste hier weg! München war kein sicherer Ort mehr für sie. Nicht seit diesem unseligen Abend, als sie die Leiche im Eurocity entdeckt hatte. Seitdem war er hinter ihr her. Es konnten aber auch mehrere sein.
    Und jetzt klingelten sie! Rosl kauerte sich unter ihrer Bettdecke zusammen, legte die Arme um ihren mächtigen Bauch. Wieder schrillte die Klingel durch den Flur, durchbohrte Rosls Schlafzimmertür und drang in ihren Kopf ein.
    Wenn sie nicht antwortete, würden sie die Tür einschlagen. Es gab keine Sicherheit mehr. Nicht in dieser Wohnung, nicht in dieser Stadt. Vielleicht nirgendwo.
    Als es zum dritten Mal klingelte, rollte Rosl sich stöhnend aus dem Bett, schleppte sich zur Tür und lauschte auf den Flur hinaus. Komisch, dass ihre Mutter sich noch nicht gerührt hatte.
    Rosl tastete sich an der Wand entlang zur Eingangstür. Das vierte Klingeln war so laut, dass sie sich den Kopf halten musste und ihr Herz ein paar verrückte Sprünge tat. Sie atmete so heftig ein, dass es wie ein Schluchzer klang.
    «Frau Meier! Können Sie mich hören?»
    Wer war das? Wer redete da? Eine Frau. Eine Frau konnte nicht hinter ihr her sein. Es musste ein Mann sein oder mehrere! Was wollte diese Frau? Sie bekam nie Besuch.
    «Frau Meier? Wir sind von der Kriminalpolizei   …»
    Kriminalpolizei?! Rosl Meier hörte den Rest des Satzes nicht, der von draußen kam. Die taten so, als wären sie von der Polizei. Damit sie die Tür aufmachte. Und dann hätten sie sie. Für wie blöd hielten die sie eigentlich? Rosl stieß einen verächtlichen Laut aus. Dann wich sie von der Tür zurück, schlich auf Zehenspitzen in die Küche.
    Jetzt wusste sie, was sie tun konnte. Die würden eine böse Überraschung erleben, diese Verbrecher! Rosl nahm das Telefon und wählte 110.
     
    «Die ist zu Hause», sagte Peter Baumann und richtete sich auf. «Da drinnen bewegt sich jemand, und es hat auch jemand gesprochen.»
    «Aber sie macht nicht auf», erwiderte Laura. «Entweder hat sie Angst wegen ihrer Schwarzarbeit, oder es ist nur ihre Mutter da. Wer weiß, in welchem Zustand die alte Frau ist.»
    Lauschend hob Baumann den Kopf. Gedämpft klang das kreischende Tuten eines Martinshorns ins Treppenhaus, auf verzerrte Weise verdoppelt, als hätte es ein Echo. Dann ertönte aus dem Parterre das Summen des Türöffners, und mehrere Personen schienen das Treppenhaus zu betreten, obwohl es gleich darauf wieder still war.
    Vorsichtig schaute Laura über das Geländer. Dort unten fanden seltsam verstohlene Bewegungen statt, Füße scharrten, Gestalten huschten um Mauervorsprünge. Laura runzelte die Stirn und winkte Baumann zu sich heran.
    «Lass uns mindestens ein Stockwerk höher gehen. Da rückt ’ne ganze Truppe an, und ich bin ziemlich sicher, dass die Meier sie gerufen hat», flüsterte Laura. «Wir sollten uns von oben in aller Ruhe ansehen, was die vorhaben.»
    Baumann nickte. Hintereinander schlichen sie auf

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