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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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hatte sie diese Frage selbst beantwortet: Bei aller Unkonventionalität und Lockerheit würde Baumann nie nachvollziehen können, dass Laura immer stärker den Gedanken fasste, auf eigene Faust in Florenz zu ermitteln.
    «Es war sehr unergiebig. Ich weiß nicht genau, warum sie überhaupt gekommen ist. Erzähl mir lieber von den unsichtbaren Putzfrauen.»
    Baumann sah sie nachdenklich an, räusperte sich dann und zog einen Zettel aus der Jackentasche.
    «Hier sind die Adressen. Wir können gleich loslegen. Bin wirklich gespannt, was die uns für Geschichten auftischen werden.»
    «Also, worauf warten wir noch?» Laura rutschte von der Schreibtischkante, griff nach ihrer Lederjacke und dem dicken Wollschal. Baumann erhob sich ebenfalls, warf Laura aber einen so seltsam prüfenden Blick zu, dass sie sich fragte, ob er ahnte, dass sie ihm Informationen vorenthielt.
    «Dann mal los!», sagte er und hielt ihr die Tür auf. 

 
    Die Türkin Sefika Ada wohnte in einem Hinterhaus der Wörthstraße im Zentrum des Münchner Stadtteils Haidhausen. Im Vorderhaus gab es einen Fahrradladen, in dessen Auslage viele Teddys mit roten Weihnachtsmützen saßen und zwischen ihnen ein riesiger schwarzer Bär. Als Peter Baumann sich interessiert vorbeugte, um den Bären genauer zu betrachten, hob dieser den Kopf und schaute ihn an. Baumann trat einen Schritt zurück, sah Laura an, dann wieder den Bären, dann auf seine Armbanduhr.
    «Glaubst du, dass man um elf Uhr vormittags Halluzinationen haben kann, oder hältst du es für normal, dass ich Bären in einem Fahrradladen sehe?»
    Laura runzelte die Stirn und antwortete ernst:
    «Ich halte das für ein sehr bedenkliches Symptom, lieber Kollege. Zumal es sich bei dem Bären um einen Hund handelt.»
    «Oh, ich wusste nicht, dass es Hunde dieser Größe gibt!», stammelte Baumann. «Trotzdem begreife ich nicht, was Teddybären und Riesenhunde mit Fahrrädern zu tun haben.»
    «Das macht nichts», lächelte Laura. «Du musst nicht alles verstehen.»
    Baumann lächelte zurück. «Alles wieder in Ordnung, Chefin?»
    «Warum sagst du Chefin?»
    «Ich dachte, es würde dir vielleicht gefallen, wenn ich es manchmal sage. Das bist du ja immerhin, nicht wahr?»
    Laura zuckte die Achseln. Der bärenhafte Hund imSchaufenster hatte sich unterdessen erhoben, gähnte mit weit geöffnetem Maul und nach oben gerollter Zunge.
    «Willst du dich einschmeicheln?», fragte sie und beobachtete, wie der Hund sich zweimal um sich selbst drehte und sich dann wieder fallen ließ. Diesmal allerdings wandte er ihnen sein Hinterteil zu und schaute in den Laden hinein.
    Baumann stieß einen lauten Seufzer aus. «Nein! Du bist irgendwie zurzeit sehr empfindlich!»
    «So   …», murmelte Laura und dachte kurz darüber nach, ob Baumann Recht haben könnte. Vielleicht, dachte sie. Ist ja auch eine Menge zu bewältigen.
    «Also los!», sagte sie laut. «Gehen wir rein.»
    Die Haustür war nur angelehnt. Baumann drückte sie auf und ließ Laura ein. In den Blechbriefkästen an der linken Wand des düsteren Flurs steckten Werbekataloge, der Boden war mit Zetteln und Broschüren aller Art bedeckt – als würden die Mieter des Hauses den Inhalt ihrer Briefkästen einfach auf den Boden leeren. Es roch nach Kohlenstaub, und Laura atmete tief ein. Der Geruch erinnerte sie an ihre Kindheit, an Häuser, die mit Kohlen beheizt wurden. Häuser mit dunklen Kellern, die alle diesen speziellen Geruch ausströmten.
    Baumann öffnete die Tür zum Hinterhof. Spatzen flüchteten auf eine Wäscheleine im zweiten Stock. Die Gebäude schlossen sich eng um den kleinen Hof, ragten hoch und grau in den verhangenen Himmel. Ein rotes Kinderfahrrad lehnte an einer grauen Mauer, einziger Farbfleck in diesem traurigen Loch. Das Hinterhaus besaß nur zwei Stockwerke, und Laura nahm an, dass im Winter kein einziger Sonnenstrahl eines der Fenster berührte.
    Auch diese Tür stand offen. Laura und Baumann stiegen knarrende Treppenstufen hinauf, die vom jahrzehntelangen Scheuern völlig ausgebleicht waren. In der Mitte der Stufenverlief eine Spur dunkler Tropfen, die tief in das Holz eingedrungen waren. Es roch intensiv nach Öl. Irgendjemand hatte wohl eine zu volle Kanne mit Heizöl hinaufgetragen und dabei eine ganze Menge verschüttet. Wie ein Ariadnefaden führte die Ölspur Laura und Baumann zur Tür der Familie Ada. Laura klingelte, Schritte erklangen hinter der Tür, dann war es still, und Laura war sicher, dass jemand hinter der Tür stand,

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