Wie Krähen im Nebel
her? Es erinnert mich an etwas …», murmelte Laura.
«Kafka!», erwiderte Flavio. «Da sucht aber der Käfig den Vogel. So kann man es natürlich auch sehen!»
«Darf ich eure literarische Diskussion beenden?» Guerrinis Stimme hatte einen deutlich ironischen Unterton. «Mich interessiert Folgendes: Können Sie uns dabei helfen, die toten Frauen zu identifizieren? Wurden diese Frauen von Ihrer Organisation auf den Weg geschickt? Und vor allem: Haben Sie eine Ahnung, wer und welche Motive hinter diesen Morden stehen könnten?»
Flavio nickte vor sich hin. «Eins nach dem andern!», murmelte er. «Wir müssen irgendwo eine undichte Stelle haben, anders ist das nicht zu erklären. Bei dem ersten Opfer mussich passen. Unsere Gruppe kennt nur die Transfer-Namen der Frauen. Aber die letzte, die in München gefunden wurde – bei der ist es anders. Wir haben in einem unserer Übergangsverstecke eine Frau, die kannte sie. Eigentlich sollten die beiden sogar zusammen nach München reisen. Aber dann fand einer unserer Verbindungsleute es zu riskant …»
«Wieder zwei Fragen!», unterbrach ihn Laura. «Können wir mit dieser Frau reden, und wer ist der Verbindungsmann?»
«Madonna!», erwiderte Flavio. «Sie sind aber schnell. Na ja, mit der Frau könnte ich Sie zusammenbringen. Den Verbindungsmann kann ich nicht nennen. Das sind Leute mit Decknamen, und keiner weiß, wer der andere oder die andere wirklich ist. Sehen Sie … wir haben einen mächtigen Gegner. Wer gegen Menschenhändler arbeitet, muss wirklich sehr aufpassen. Die verstehen keinen Spaß. Da geht es um verdammt viel Geld!»
«Ja!», sagte Laura. «Das ist uns bekannt. Aber warum haben Sie sich einfach so mit mir getroffen, wenn Sie wissen, wie gefährlich ihre Arbeit ist?»
«Ah!» Flavio lachte verlegen. «Unsere Frau in München hat Sie angekündigt. Die Beschreibung war so gut, dass ich keine Bedenken hatte. Wissen Sie, die Verbindungsfrau in München ist besser als alle andern. Wenn die sagt, dass es okay ist, mit Ihnen zu reden, dann stimmt das auch.»
«Danke für Ihr Vertrauen!», antwortete Laura. «Wahrscheinlich wird mir das irgendwann zum Verhängnis. Also, wann können wir mit der Frau sprechen, die eine Bekannte der Toten war?»
«Irgendwann morgen …», sagte er ausweichend. «Ich muss erst mit ihr reden. Melde mich.»
Laura hatte sich schon erhoben, als ihr ein Gedanke kam, den sie schon lange halb bewusst mit sich herumgetragenhatte. «Noch eine letzte Frage: Gibt es eine Verbindung Ihrer Gruppe zu irgendwelchen Bahnbeamten, die dafür sorgen, dass die Frauen an ihren Bestimmungsort gelangen. Das ist nur so ein Gedanke, der mir gekommen ist.»
Flavio trommelte mit den Fingern auf sein rechtes Knie, klatschte dann in die Hände und seufzte tief.
«Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Wir bringen die Frauen nämlich nicht zur Bahn oder zum Flughafen – wir vermitteln sie an jemanden, der sie dann auf die Reise schickt.»
«Und warum ist es so kompliziert? Wird die Gefahr dadurch nicht größer? Je mehr Leute beteiligt sind, desto wahrscheinlicher ist doch, dass eine undichte Stelle entsteht!» Laura hörte in Guerrinis Stimme, dass er dieses Versteckspiel albern und unprofessionell fand.
Flavio aber schüttelte entschieden den Kopf.
«Wir haben die Methoden der Mafia genau studiert!», sagte er. «Die arbeiten genauso. Es ist wie ein Stafettenlauf. Einer gibt den Stab an den andern weiter und schaut sich nicht um. Man muss von denen lernen, um gegen sie bestehen zu können!»
«Hoffentlich habt ihr genug gelernt!», murmelte Guerrini. «Ich finde, Sie kommen jetzt mit uns zum Wagen und wir setzen Sie irgendwo ab, Flavio. Dann sind wir wenigstens sicher, dass Sie heil aus diesem Park herausgekommen sind.»
Eine Stunde später fiel Laura ein, dass ihr Handy die ganze Zeit abgeschaltet war. Auf der Mailbox fand sie vier Anrufe von Peter Baumann, dessen Stimme von Nachricht zu Nachricht gereizter klang. Offensichtlich saß er mit dem Deutsch sprechenden Carabiniere in der kleinen Bar, in der sie am Morgen gefrühstückt hatten.
Als Laura und Guerrini gegen sieben dort ankamen, hatten Baumann und sein italienischer Kollege einen Schwips, weil sie auf nüchternen Magen zu viel Wein getrunken hatten. Unter Mühen schafften Laura und Guerrini es, die beiden in ein Speiselokal zu schaffen und mit großen Portionen Pasta die Wirkung des Alkohols zu dämpfen.
Danach war Baumann vor allem müde und hatte wenig Lust,
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