Wie Krähen im Nebel
sich keine Mühe, besonders leise zu sein, setzte ihre Stiefel fest auf, als sie den großen Bronzeschädel vor sich auftauchen sah. Ein schwacher Lichtschein reichte von der Stadt bis hierher, ließ die Stirn des Augustus hervortreten und machte seine leeren Augen zu schwarzen Höhlen.
«
Sono qua!
Ich bin da!», sagte Laura laut. «Wo sind die
Uccellini?»
Alle ihre Sinne waren so aufmerksam, dass es ihr vorkam, als hätte ihr Körper Tentakel ausgefahren und könnte nach hinten, oben und nach allen Seiten sehen und spüren. Langsam drehte sie sich, zog einen Kreis, sichernd wie ein Tier. Etwas bewegte sich in der Nähe des Bronzekopfes, verschwand wieder.
«Kommen Sie hierher! Hinter den Kopf!»
Laura zwang sich zu ruhigen Bewegungen, wandte sich langsam um, denn der Unbekannte hatte sie genau in dem Augenblick angesprochen, als sie ihm den Rücken zeigte.
War das die Stimme, die ihren Anruf beantwortet hatte?
«Ich bin für einen Kompromiss!», rief sie in die Dunkelheit hinein. «Wir treffen uns unter der Nase!»
«Signora! Sie wollen etwas von mir – nicht ich von Ihnen!» Laura hatten den Eindruck, als spräche das rechte leere Auge des Augustus zu ihr.
«Falsch!», antwortete sie. «Es geht um Ihre Organisation und um die Sicherheit Ihrer Schützlinge! Ich bin diejenige, die um Hilfe gebeten wurde!»
«Nicht von mir! Ich habe genügend Polizisten gesehen, die mit den Menschenhändlern unter einer Decke steckten!»
«Warum sind Sie dann gekommen?», fragte Laura und näherte sich langsam dem Bronzekopf.
«Weil ich Sie mir ansehen wollte!»
«Aber es ist viel zu dunkel. Sie können mich gar nicht sehen!» Laura war nur noch einen Meter von der Skulptur entfernt, erkannte in diesem Augenblick eine dunkle Gestalt, hielt gleich darauf schützend eine Hand vor ihre Augen, denn der Unbekannte richtete den Strahl einer starken großen Taschenlampe auf sie.
«Scusi!»
, sagte der Unsichtbare hinter der Taschenlampe. «Lehnen Sie sich bitte mit dem Rücken an Augustus und strecken Sie Ihre Arme zur Seite. Dann können wir miteinander reden.»
Laura trat vorsichtig rückwärts, bis sie gegen den Bronzekopf stieß, breitete die Arme aus, fühlte das kalte Metall unter ihren Händen.
Seltsam, dachte sie. Ich habe gar keine Angst.
«Wo ist der andere?», fragte der Unbekannte.
«Welcher andere?»
«Das sollten Sie nicht tun!» Die Stimme hinter dem grellen Strahl der Taschenlampe klang jetzt weniger höflich.
«Was?» Laura versuchte harmlos, erstaunt zu klingen.
«Sie sollten mich nicht anlügen, Signora! Ich habe genau gesehen, dass Sie nicht allein in den Park gekommen sind.»
«Aber Sie kennen mich doch gar nicht – woher wollen Sie wissen, wann und mit wem ich in den Park gekommen bin?»
Der Mann hinter der Taschenlampe lachte plötzlich auf. «Ganz einfach, Signora Commissaria, ich habe Ihnen die Eintrittskarten für fünf Euro verkauft. Es ist Ihnen gar nicht aufgefallen, dass im Winter der Eintritt in die Gärten frei ist. Also, wo ist der andere?»
Laura hoffte inständig, dass Guerrini nahe genug war, um ihre Diskussion zu hören. Der Trick mit den Tickets war wirklich sehr gut.
«Woher wussten Sie, dass wir den Eingang beim Palazzo Pitti nehmen würden? Es gibt immerhin ein paar andere Pforten.» Sie versuchte ihn hinzuhalten.
Wieder lachte er. Es war kein unsympathisches Lachen, ziemlich hell und nur eine Spur schadenfroh.
«Das erkläre ich Ihnen später! Ich möchte nur vermeiden, dass plötzlich ein wild gewordener Carabiniere hinter mir steht und mir eine Pistole ins Kreuz drückt!»
«Sah mein Begleiter aus wie ein Carabiniere?» Laura drehte den Kopf zur Seite und versuchte irgendwas zu erkennen, doch ihre Augen waren so geblendet, dass sie nur rote und gelbe Kreise sah.
«Er war auf alle Fälle Italiener. Das reicht!»
Laura horchte. Ihr war, als hätte sie ein lautes Rufen gehört.
«Ssscht!», machte sie, als der Unbekannte etwas sagen wollte. «Da kommt jemand!»
Und tatsächlich näherten sich die Rufe aus der Richtung des Palazzo Pitti, kamen den Hügel herauf und wurden bald so deutlich, dass Laura und der Unbekannte jedes Wort verstehen konnten.
«Signori!», rief jemand. «Signori! Ich habe gesagt zehn Minuten! Jetzt sind es schon vierzig Minuten. Ich muss das Tor abschließen! Meine Familie wartet! Meine Frau wird sehr böse, wenn ich nicht rechtzeitig zum Essen komme!»
«Wer zum Teufel …?» Der Unbekannte schaltete seine Taschenlampe aus und stand mit
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