Wie man die Welt verändert: Über Marx und den Marxismus (German Edition)
1857/58 blieb, wie erwähnt, sogar noch länger unbekannt, erfolgte doch die tatsächliche Veröffentlichung letztlich erst 1953, während die frühesten (unbefriedigenden) fremdsprachlichen Übersetzungen bis in die späten 1960er Jahre auf sich warten ließen. Zu einer bedeutenden Grundlage der internationalen marxistischen Debatte wurden die Grundrisse ebenfalls erst in den 1960er Jahren, und selbst da nicht in ihrer Gesamtheit; man bezog sich zunächst vor allem auf die Abschnitte zur Geschichte, die unter dem Titel Formen, die der kapitalistischen Produktion vorhergehn separat publiziert (Berlin 1952) und binnen weniger Jahre übersetzt (ins Italienische 1953/54, ins Englische 1964) worden waren. Einmal mehr veranlasste das Erscheinen eines unveröffentlichten Manuskripts eine Mehrheit von Marxisten, angesichts einer bislang unbekannten Schrift das Marx’sche Werk in wesentlichen Teilen neu zu betrachten. Aus dem bedeutenden Material der handschriftlichen Entwürfe, die Marx im Zusammenhang der Arbeiten am Kapital verfasste und die letztlich nicht in die endgültig publizierte Fassung aufgenommen wurden, gelangten sukzessive auch später noch Teile in Umlauf – so etwa das projektierte »Sechste Kapitel« des ersten Bands (überschrieben Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses ), das trotz seiner bereits 1933 erfolgten Veröffentlichung im Archiv K. Marksa i F. Engel’sa erst Ende der 1960er Jahre ernsthaft diskutiert wurde; ins Englische wurde es schließlich erst 1976 übersetzt. Ein Teil des Materials aber blieb weiterhin unveröffentlicht.
Das dritte umfangreiche unveröffentlichte Manuskript war Engels’ Dialektik der Natur ; die Schrift erschien ein paar Jahre zuvor (nämlich 1925) zusammen mit anderen Entwürfen Engels’ im Archiv K. Marksa i F. Engel’sa . Vermutlich war die Entscheidung, das Material nicht in die Gesamtausgabe aufzunehmen oder auch nur dafür vorzusehen, dem Umstand geschuldet, dass Engels’ in den 1870er Jahren geschriebene Auseinandersetzung mit den Naturwissenschaften mittlerweile, wie Rjasanow anmerkte, sachlich überholt war. Gleichwohl fügte sich das Werk in eine »szientistische« Ausrichtung des Marxismus ein, wie sie in Russland schon lange Popularität genoss und während der Stalinzeit gestärkt wurde. Die Dialektik der Natur fand daher in den 1930er Jahren schnell Verbreitung; tatsächlich wird sie sogar im Kurzen Lehrgang von 1938 von Stalin zitiert. 5 Einen gewissen Einfluss entfaltete die Schrift nicht zuletzt bei der schnell steigenden Zahl der marxistischen Naturwissenschaftler.
Vom Briefwechsel, den Marx und Engels mit Dritten führten und der vermutlich, neben den Notizen, den größten Teil des noch unveröffentlichten Materials ausmachte, war vor 1914 nur sehr wenig publiziert worden; Briefveröffentlichungen fanden sich zum einen in Periodika, zum anderen in Sammel- oder Auswahlbänden, die sich auf die Korrespondenz mit einzelnen Adressaten konzentrierten, so beispielsweise der Band Briefe und Auszüge aus Briefen von Joh. Phil. Becker, Jos. Dietzgen, Friedrich Engels, Karl Marx u.a. an F.A. Sorge und andere (Stuttgart 1906). Eine Reihe ähnlicher Sammlungen wurde nach 1917 publiziert, zu erwähnen sind etwa die Briefe an Bernstein (auf Russisch 1924, auf Deutsch 1925) und der Briefwechsel mit Bebel, Wilhelm Liebknecht, Kautsky und anderen (erschienen in Leningrad, auf Russisch 1932, auf Deutsch 1933), doch eine umfassende Sammlung lag erst mit der Publikation der Briefe in der russischen Werkausgabe ( Sočinenija , Bde. 25–29, 1934–1946) beziehungsweise, auf Deutsch, in den MEW (1956–1968) vor. Wie bereits erwähnt, wurden einige sehr wichtige Sammlungen erst Ende der 1950er Jahre zugänglich; die Publikation der Korrespondenz lässt sich bis heute nicht als vollständig betrachten. Gleichwohl gehörte zu den Materialien, die dem Moskauer Institut vor 1933 zur Verfügung standen, ein sehr umfangreicher Bestand an Briefen; Verbreitung und Bekanntheit erlangten sie im Wesentlichen durch fremdsprachige Übersetzungen und Adaptionen des in den frühen 1930er Jahren publizierten Briefwechsels .
Gleichwohl bedarf es einer Anmerkung zur »offiziellen« Veröffentlichung der Briefe. Man sah in ihnen nicht so sehr einen Briefwechsel (außer im Fall der Korrespondenz zwischen Marx und Engels) als vielmehr einen Teil der Klassikerschriften. Die Briefe der Briefpartner von Marx und Engels fanden daher für gewöhnlich keine Berücksichtigung in den
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