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Wie man die Welt verändert: Über Marx und den Marxismus (German Edition)

Wie man die Welt verändert: Über Marx und den Marxismus (German Edition)

Titel: Wie man die Welt verändert: Über Marx und den Marxismus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Hobsbawm
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Entlassung (und späteren Ermordung) seines Leiters Rjasanow, und bereitete der Publikation der MEGA in deutscher Sprache ein Ende, wenn auch nicht der Fortführung der Editionsarbeiten – ungeachtet der tragischen Auswirkungen der Säuberungen. Ein anderer und in mancher Hinsicht ebenso gravierender Aspekt war, dass die Durchsetzung der orthodoxen stalinistischen Interpretation des Marxismus, wie sie offiziell die Geschichte der KPdSU (B), kurzer Lehrgang von 1938 verbreitete, einige von Marx’ eigenen Schriften heterodox erscheinen ließ und deshalb zu Problemen führte, was deren Veröffentlichung anbelangte. Das betraf insbesondere die Schriften aus den frühen 1840er Jahren. 4 Schließlich führte auch der Zweite Weltkrieg zu einem Bruch mit schwerwiegenden Auswirkungen für Marx’ Werk. Die hervorragende Ausgabe der Grundrisse , die 1939 und 1941 in Moskau erschienen war, blieb bis zu ihrem Nachdruck in Ost-Berlin im Jahr 1953 praktisch unbekannt (wenn auch ein oder zwei Exemplare ihren Weg in die USA gefunden hatten).
    Die Publikation der Klassikerschriften veränderte sich nach 1917 noch auf eine dritte Art, nämlich im Hinblick auf ihre Verbreitung. Wie angedeutet bemühten sich die sozialistischen Massenparteien vor 1914 nicht ernsthaft darum, ihren Mitgliedern die Lektüre von Marx und Engels näherzubringen, ausgenommen allenfalls Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft oder vielleicht das Manifest . Der erste Band des Kapitals erlebte zwar häufige Neuauflagen – in Deutschland zehn zwischen 1903 und 1922 –, doch mag man daran zweifeln, ob das Werk wirklich zur weitverbreiteten Lektüre einlädt. Viele Käufer gaben sich vermutlich damit zufrieden, mit dem Buch einen greifbaren Beleg im Regal und zur Hand zu haben, dass Marx die Unausweichlichkeit des Sozialismus wissenschaftlich bewiesen hatte. Kleine Parteien, ob ihre Anhängerschaft sich nun in erster Linie aus Intellektuellen, Kadern oder jenen ungewöhnlich opferbereiten Militanten zusammensetzte, wie sie sich gewöhnlich in marxistischen Sekten sammeln, stellten indes mit Sicherheit höhere Ansprüche an ihre Mitglieder. So erschien zwischen 1848 und 1918 für die relativ unbedeutenden marxistischen Gruppierungen und Parteien der englischsprachigen Welt das Manifest in 34 Auflagen auf Englisch, während es die französische Ausgabe auf 26 und die deutsche gerade einmal auf 55 Auflagen brachte, und das angesichts der riesigen Parteien in den deutschsprachigen Ländern.
    Die internationale kommunistische Bewegung ihrerseits verwandte ungeheure Mühe auf die marxistische Schulung ihrer Anhänger und setzte in dieser Hinsicht nicht mehr in erster Linie auf Leitfäden und Lehrbücher. Daher wurde die Auswahl und Popularisierung entsprechender Klassikertexte eine Angelegenheit von besonderer Bedeutung. Die zunehmende Tendenz, die politische Argumentation durch die Autorität von Zitaten zu untermauern – eine Tendenz, die zum Markenzeichen verschiedener Strömungen in der marxistischen Tradition, insbesondere in Russland, geworden war –, begünstigte die Verbreitung von Klassikertexten; im Laufe der Zeit trat in der kommunistischen Bewegung allerdings immer häufiger die Berufung auf Zitate Lenins oder Stalins an die Stelle des Rekurses auf Marx oder Engels. Jedenfalls veränderte die verbreitete Verfügbarkeit von Klassikertexten zweifellos überall dort, wo sie erscheinen durften, die Lage derer, die sich mit dem Studium des Marxismus beschäftigen wollten; allerdings nahm zwischen 1933 und 1944 die Zahl der Länder dramatisch ab, in denen Marx und Engels veröffentlicht werden konnten.
    Von den umfangreicheren bis dato unveröffentlichten Schriften waren es die Manuskripte aus den 1840er Jahren, die vor 1939 Wirkung zu zeigen begannen. Sowohl die Deutsche Ideologie als auch die Ökonomisch-philosophischen Manuskripte aus dem Jahre 1844 wurden 1932 veröffentlicht; bis sie vollständig in Übersetzungen vorlagen, dauerte es indes einige Zeit. Hier ist nicht der Ort, ihre Bedeutung zu diskutieren. Es bleibt lediglich beiläufig anzumerken, dass sich ein Großteil der marxistischen Diskussion nach 1945 um die Interpretation dieser Frühschriften drehte, während umgekehrt die marxistische Diskussion vor 1932 naturgemäß in Unkenntnis dieser Schriften stattgefunden hatte. Die zweite große Gruppe unveröffentlichter Materialien gehörte zu den Vorarbeiten zum Kapital . Das umfangreiche Manuskript der Grundrisse von

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