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Wie man die Welt verändert: Über Marx und den Marxismus (German Edition)

Wie man die Welt verändert: Über Marx und den Marxismus (German Edition)

Titel: Wie man die Welt verändert: Über Marx und den Marxismus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Hobsbawm
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weiteren Auflage in Höhe von 20.000 Exemplaren; das Erfurter Programm der Sozialdemokratie (1891) schließlich wurde in einer Auflage von 120.000 Exemplaren verteilt.
    Das heißt indes nicht, dass das zeitgenössisch zur Verfügung stehende »klassische« Werkkorpus von theoretisch interessierten Sozialisten nicht gelesen worden wäre. Schon bald war das theoretische Werk in diverse Sprachen übersetzt. So war etwa in Italien, einem Land, in dem in den 1890er Jahren unter Intellektuellen zugegebenermaßen ein lebhaftes Interesse am Marxismus existierte, um 1900 praktisch das ganze von Engels ausgewählte Marx’sche Werk (außer dem zweiten und dritten Band des Kapitals ) zugänglich, und die von Ettore Ciccotti herausgegebenen Scritti (1899) von Marx, Engels und Lassalle fügten dem eine Reihe weiterer Schriften hinzu. 2 In englischer Sprache wurde das klassische Werkkorpus, wie es 1913 in der Hauptsache im Verlag Charles H. Kerr (Chicago) in – wenn auch häufig recht schlechter – Übersetzung vorlag, bis Mitte der 1930er Jahre in nur sehr geringem Umfang ergänzt.
    Unter den theoretisch Interessierten – das heißt unter den Intellektuellen in Mittel- und Osteuropa sowie eben in Italien, wo der Marxismus, wie erwähnt, eine große Anziehungskraft ausübte – existierte naturgemäß ein lebhaftes Interesse an weiteren Schriften von Marx und Engels. Die SPD als Eignerin des literarischen Nachlasses der Klassiker unternahm indes keine Anstrengungen, deren Werke vollständig zu veröffentlichen, hielt es womöglich gar für nachteilig, die eine oder andere eher taktlose oder abschätzige Bemerkung (erstmals oder erneut) publik zu machen oder aber politische Schriften von rein vorübergehendem Interesse zu veröffentlichen. Gleichwohl machten sich marxistische Wissenschaftler wie insbesondere Kautsky und Franz Mehring in Deutschland sowie Dawid Rjasanow in Russland daran, die von Marx und Engels publizierten Schriften in umfangreicheren Werkausgaben zusammenzustellen, als dies Engels offenkundig für unmittelbar notwendig gehalten hatte. In Mehrings Aus dem literarischen Nachlass von Marx und Engels waren Schriften aus den 1840er Jahren versammelt, während mehrere von Rjasanow herausgegebene Bände wiederveröffentlichte Arbeiten aus den Jahren 1852 bis 1862 enthielten.
    Vor 1914 gelang beim unveröffentlichten Material mit der Publikation des Briefwechsels von Marx und Engels im Jahr 1913 zumindest ein größerer Durchbruch. Bereits zuvor hatte Kautsky hier und da ausgewähltes handschriftliches Material in der Neuen Zeit , dem theoretischen Organ der SPD, publiziert, namentlich (im Jahr 1902) Marx’ Briefe an Ludwig Kugelmann sowie (in den Jahren 1903 und 1904) ein paar Fragmente aus dem Material, das heute als Grundrisse bekannt ist, darunter beispielsweise die unvollendete Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie . Daneben wurden in einigen Ländern bisweilen Schriften und Briefe von Marx und Engels veröffentlicht, die sich an Empfänger in diesen Ländern richteten, eventuell in der Landessprache abgefasst waren oder auf andere Art in besonderer Beziehung zum jeweiligen Land standen, doch übersetzte man damals solche Schriften selten einmal in eine andere Sprache. Den Umfang der zur Verfügung stehenden klassischen Schriften im Jahr 1914 lässt möglicherweise am besten das Literaturverzeichnis erkennen, das Lenin seinem Enzyklopädieartikel über Karl Marx beifügte, den er in jenem Jahr verfasste und der später als Broschüre häufig wiederveröffentlicht wurde. Sollte ein Text von Marx oder Engels den russischen Marxisten bei ihrem höchst gewissenhaften Studium der Werke der Klassiker verborgen geblieben sein, so kann davon ausgegangen werden, dass er der zeitgenössischen internationalen sozialistischen Bewegung praktisch unzugänglich war.
II
    Die russische Revolution veränderte die Veröffentlichung und Verbreitung der Klassikerwerke in mehrerlei Hinsicht. Erstens verschob sich das Zentrum des wissenschaftlichen Arbeitens mit den marxistischen Inhalten auf eine Generation von Herausgebern, die mit Engels, ganz zu schweigen von Marx, in keinem persönlichen Kontakt mehr gestanden hatten – im Gegensatz zu Männern wie Eduard Bernstein, Kautsky und Mehring. Auf die neue Gruppe hatten daher weder Engels’ persönliche Urteile im Hinblick auf die Gestalt des klassischen Werkkorpus noch Fragen des Takts oder der Opportunität – sei es Personen oder zeitgenössischen politischen

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