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Wie man einen verdammt guten Roman schreibt

Wie man einen verdammt guten Roman schreibt

Titel: Wie man einen verdammt guten Roman schreibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James N. Frey
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sei, und riet ihm, sich lieber seinen Kranken zu widmen.

        Allerdings wollte sie sich, gemäß den Theorien, die ihr einleuchteten, zur Liebe in Stimmung brin-gen. Bei Mondenschein sagte sie im Garten alles an leidenschaftserfüllten Versen auf, was sie auswendig wußte, und sang ihm unter Seufzern schwermütig getragene Weisen vor. Aber sie fühlte sich nachher ebenso ruhig wie zuvor, und Charles war sichtlich weder verliebter noch sonderlich aufgewühlt.

    Als sie auf diese Weise vergeblich versucht hat-te, einen Funken aus ihrem Herzen zu schlagen, und da sie außerdem unfähig war, etwas zu begreifen, was sie nicht selbst empfand, oder auch an etwas zu glauben, was sich nicht in herkömmlichen Formen äußerte, redete sie sich ohne weiteres ein, Charles’ Leidenschaft sei nicht mehr übermäßig tief. Seine Liebesbeweise hatten etwas Geregeltes bekommen; er umarmte sie zu bestimmten Stunden. Es war eine Gewohnheit unter vielen anderen, gleichsam ein vorgesehener Nachtisch nach einem eintönigen und ewiggleichen Mahl…
        In einer Szene schildert der Erzähler die Handlungen natürlich so, wie sie stattfinden. Hier ein Beispiel aus Madame Bovary:

        Beim Abendessen fand ihr Gatte, sie sehe gut aus. Doch als er sich nach ihrem Spazierritt erkundigte, tat sie, als hörte sie nichts, und blieb mit aufgestützten Ellbogen vor ihrem Teller zwischen den beiden brennenden Kerzen sitzen.

    »Emma!« sagte er.

    »Was denn?«

        »Hör zu, ich bin heute nachmittag bei Herrn Alexandre vorbeigegangen. Er hat eine junge Stute zu verkaufen, ein noch recht schönes Tier, nur ein bißchen kahl an den Knien. Ich könnte sie bestimmt für hundert Taler bekommen …«

        Nach einer Weile fuhr er fort: »Ich dachte sogar, du würdest dich darüber freuen, und habe das Pferd für mich zurückstellen lassen … Ich habe es gekauft… Sag, es ist dir doch recht?«

        Sie nickte zum Zeichen ihres Einverständnisses. Eine Viertelstunde später fragte sie: »Gehst du noch aus?«

    »Ja, warum?«

    »Ach, nur so, mein Lieber.«

        Kaum war sie Charles losgeworden, ging sie in ihr Zimmer hinauf und schloß sich ein.

    Zunächst überkam es sie wie eine Betäubung. Sie sah die Bäume, die Wege und Gräben, Rodolphe vor sich, fühlte immer noch, wie er sie in seinen Armen hielt, während das Laub rauschte und der Wind durch die Binsen strich.
        Als sie sich dann aber im Spiegel sah, staunte sie über ihr Gesicht. Noch nie hatte sie so schwarze, so große, so unergründliche Augen gehabt. Etwas Vergeistigtes lag über ihrem ganzen Wesen und verschönte es.

        Immer wieder sagte sie sich: Ich habe einen Geliebten! einen Geliebten! und diese Vorstellung beseligte sie…

        Eine Halbszene ist eine Erzählung, unterbrochen und durchsetzt mit szenischer Darstellung:

        Zu Michaeli war Charles für drei Tage nach Les Bertaux gekommen. Der letzte Tag war vergangen wie die beiden anderen; er hatte es von einer Viertelstunde zur anderen hinausgeschoben. [Bis hierher Erzählung; jetzt beginnt die Szene.] Der alte Rouault gab ihm das Geleit. Sie gingen durch einen Hohlweg; nicht mehr lange, und sie mußten sich trennen. Jetzt war der Augenblick gekommen! Charles gab sich noch eine Frist bis zur Biegung der Hecke, und als sie daran vorbei waren, sagte er endlich leise: »Herr Rouault, ich möchte Ihnen etwas sagen.«

    Sie blieben stehen. Charles schwieg.

        »Also heraus mit der Sprache! Ich weiß ja sowieso schon alles!« erwiderte der alte Rouault mit einem gemütlichen Lachen.

    »Vater Rouault … Vater Rouault«, stammelte Charles.

    »Mir soll’s recht sein«, fuhr der Pachtbauer fort. »Zwar glaub ich bestimmt, daß die Kleine meiner Ansicht ist; aber fragen müssen wir sie doch noch. Reiten Sie also nach Hause, und ich gehe auch heim. Wenn sie ja sagt - verstehen Sie mich recht! - dann brauchen Sie nicht zurückzukommen, wegen der Leute, und zudem würde es sie zu sehr aufregen. Damit Sie aber nicht zappelig werden, will ich den großen Fensterladen gegen die Mauer weit aufstoßen. Sie können es von dort hinten sehen, wenn Sie sich über die Hecke beugen.«

    Damit entfernte er sich.

        Charles band sein Pferd an einen Baum, lief dann zu dem bezeichneten Fußweg und wartete dort. Eine halbe Stunde verging, dann zählte er weitere neunzehn Minuten auf seiner Uhr. Plötzlich hörte er einen Schlag gegen die Mauer. Der Laden war aufgeklappt worden, die

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