Wie man einen verdammt guten Roman schreibt
Konflikt, weil entgegengesetzte Wünsche aufeinanderstoßen (er will mit ihr zum Ball; sie hat keine richtige Lust), sie entwickelt sich zu einem Höhepunkt, und die Figuren sind aufeinander abgestimmt. Trotzdem ist sie stinklangweilig. Warum?
Zunächst einmal ist der Dialog völlig uninspiriert. Er ist direkt. Direkter Dialog drückt genau das aus, was im Kopf der Figur vor sich geht, ohne daß sie den geringsten Versuch macht, zu zögern, Ausflüchte oder einen Witz zu machen, zu lügen usw. Guter Dialog drückt den Willen der Figur indirekt aus. Wir wollen uns ansehen, wie dieselbe Szene wirkt, wenn sie in indirektem Dialog geschrieben ist.
»Ich muß mich hier hinsetzen, das ist mein Job«, sagte Joe. »Oh?« sagte Mary und sah von dem Buch auf, das sie gerade las.
»Ja, die Schule zahlt mir anderthalb Dollar die Stunde, wenn ich in der Cafeteria lerne und ein gutes Beispiel gebe.«
»Setz dich, wohin du willst, das ist ein freies Land.«
Joe lächelte sie an und sagte: »Ich kenne deine
Zukunft.«
»Wie willst du das denn machen?«
»Ich kann Tarot-Karten lesen.«
»Da glaub ich nicht dran. Wir sind Unitarier.«
Joe nahm die Karten aus seiner Tasche und
mischte sie. Er drehte die erste um und sagte: »Du wirst um acht Uhr heute abend in einem grünen Chevy Nova abgeholt.«
»Tatsächlich?«
»Der überaus gutaussehende junge Mann am Steuer wird ein weißes Dinnerjackett mit einem Kummerbund tragen.«
»Was du nicht sagst.«
»Er wird dich zu dem Ball ausgerechnet dieser Schule hier mitnehmen.« »Wow, all das steht in den Karten?« »Das und mehr.« Er steckte die Karten wieder
ein. »Ich will dir nicht die ganze Überraschung verderben.«
»Heißt das, du möchtest mit mir dahin?«
»Würdest du denn mitkommen?«
»Alles steht in den Karten, oder? Dann solltest du das auch wissen.«
Weil Joe indirekt vorgeht, macht er einen deutlich interessanteren, einen unverwechselbaren Eindruck. Eine mit maximaler Kapazität agierende Figur wird im Gespräch klug, lebhaft und indirekt vorgehen. Wenn Sie im Fernsehen Situationskömödien sehen, werden Sie fast nur direkten Dialog zu hören bekommen. Das ist einer der Gründe, weshalb Sie sie so langweilig finden.
Wenn Sie Dialoge schreiben, werden Ihre Figuren mehr Witz zeigen, mehr Charme, Bildung, Beredsamkeit, Klugheit, mehr Feuer als Sie, der Autor selbst. Wie ist das möglich? Wegen des Zeitfaktors.
Was Ihre Figuren in einer Geschichte sagen und tun, sieht spontan aus. Sie wirken wie leibhaftige Menschen, die kluge Sachen tun und sagen. Joe nimmt einfach diese Tarot-Karten aus seiner Tasche und zieht seine Nummer ab. Aber der Autor des Buches kann zwei Nächte wachgeblieben sein und sich gefragt haben, was Joe tun könnte, um Mary zu beeindrucken.
Sind Sie schon mal auf einer Party gewesen, wo irgendein Clown sich ausläßt über, sagen wir, die natürliche Minderwertigkeit der Frau. Sie sind völlig anderer Ansicht, aber alles, was Ihnen zu sagen einfällt, ist: »Sonst tut Ihnen nichts weh?« Auf dem Nachhauseweg sagen Sie sich, daß Sie Simone de Beauvoir hätten zitieren sollen, wo sie über die phänomenologischen Veränderungen kultureller Determinanten von sexuellen Unterschieden nach Klassen- und Kulturzugehörigkeit im Existentialismus spricht. Das hätte diesem Dummschwätzer das Maul gestopft. Wenn Ihre Figur in dieser Situation gewesen wäre, hätten Sie eine Weile darüber nachdenken können und dann den richtigen Spruch parat gehabt. Vielleicht brauchen Sie eine Woche dafür, aber für den Leser sähe es so aus, als wäre die Figur ganz spontan darauf gekommen.
ERZÄHLFORMEN DES ROMANS
Romane sind in drei Erzählformen geschrieben: Erzählung, Szene und Halbszene.
In der Erzählung berichtet der Erzähler von Handlungen, zeigt die Entwicklung von Figuren und führt innere Konflikte vor, tut das aber vorwiegend summarisch. Madame Bovary ist fast ausschließlich in diesem Modus erzählt:
Charles wußte darauf keine Antwort. Er verehrte seine Mutter und liebte seine Frau von ganzem Herzen. Was die eine sagte, galt ihm für unfehlbar, und an der andern fand er nichts auszusetzen. War dann Madame Bovary wieder abgereist, versuchte er wohl schüchtern die eine oder andere der harmlosesten Aussetzungen, die er von seiner Mama gehört hatte, mit denselben Worten nochmals vorzubringen. Emma aber bewies ihm klipp und klar, daß er im Irrtum
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